Mitarbeitergewinnung und Ausbildung von Nachwuchs: Baumschulen zwischen Purpose und 4-Tage-Woche

Welchen Sinn hat eigentlich meine Arbeit? Und welchen Sinn das Unternehmen, für das ich arbeite?



Purpose: Auf der Suche nach Sinn 

und neuen Mitarbeitern



Dieser Sinn wird neusprech als Purpose bezeichnet und gilt seit einiger Zeit als eine Art Königsdisziplin nicht nur in Verbindung mit Kunden, sondern vor allem auch zur Gewinnung von Mitarbeitern. 

 

Nach Gehalt und Work-Life-Balance kommt es bei der Gruppe der Unter-30-Jährigen nach einer Umfrage des SPIEGEL bei der Suche nach möglichen Arbeitgebern an dritter Stelle auf die Sinnhaftigkeit an. Aktuell sorgen sich Menschen aus dieser Gruppe nach der Studie Jugend in Deutschland (Schnetzer/ Hurrelmann, Onlinebefragung zwischen 04. und 21.10.2022) um die Auswirkungen der Inflation auf ihr Leben, um die Folgen von Preissteigerungen.



Purpose und Sinnsuche in der Grünen Branche? Check! 


Zweck eines Baumschulunternehmens ist die Produktion von Pflanzen. Das ist ein ausgesprochen vorteilhaftes Produkt im Licht von Purpose, haben Pflanzen doch bei der Kundschaft einen sehr positiv besetzten Stellenwert (Garten, Park, Wald, Natur…) und bringen zusätzlich noch den entscheidenden Ökotwist mit (Nachhaltigkeit, CO2-Bindung, "grüne Lunge" für unsere Städte).

 

Mit dem Sinn und Zweck eines Baumschulunternehmens lässt sich somit und im Grunde genommen sehr leicht werben! 


Wo andere Unternehmungen Agenturen beauftragen müssen, um diesen Purpose überhaupt aus der DNA des Unternehmens zu destillieren, herzuleiten, zu verbalisieren und dadurch greif- und für Kundschaft und Mitarbeitergewinnung nutzbar zu machen, wächst Baumschulen der Purpose sinnbildlich aus dem Boden.

 


 

Krise: Nachwuchsgewinnung in der Baumschule

 

Warum ist der Gartenbau dann mit Blick auf die Ausbildung des Nachwuchses in der Krise?


Die im Jahr 2022 neu geschlossenen Ausbildungs-verträge in diesem Berufsfeld sind um knapp 12 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen – heißt in absoluten Zahlen, dass mit 5.316 Neuverträgen knapp 700 Verträge weniger als im Vorjahr abgeschlossen wurden (Quelle: Deutsche Baumschule, 03/2023). Die Baumschulen haben dabei mit den größten Negativtrend zu verzeichnen. 

 

Für Schleswig-Holstein sieht die Zukunft der Baumschulen mit Blick auf den Nachwuchs in Zahlen noch dramatischer aus: Lediglich 16(!) neue Ausbildungsverträge konnten für das neue Ausbildungsjahr 2023/ 24 geschlossen werden (Meldung im Pinneberger Tageblatt vom 29.07.2023). In den 1980er Jahren wurden noch bis zu 120 Auszubildende pro Jahr gezählt. 

 

Aus dem Kreis der 16 Produktionsbaumschulen, die an der Branchenmesser Florum 2023 teilgenommen haben und deren Webseite überhaupt über einen Bereich für Stellen- und Ausbildungsangebote verfügt, suchen 15 Firmen Personal und/ oder Auszubildende.



Vielen Unternehmen bleibe häufig nichts anderes übrig, als Purpose zu einer Haltung und letztlich reinen Marketing-Strategie zu machen, als ‚Lockmittel im Kampf um junge Talente‘, so Wirtschaftspsychologe Prof. Dr. Ingo Hamm im SPIEGEL.

 

Er ist der Ansicht, dass Sinn stiftet, was ein einzelner Mitarbeiter durch die Anwendung seiner fachlichen Kompetenz alltäglich bewirken kann und spricht von Selbstverantwortung und Chefsache


Chefsache deshalb, weil jedem Teammitglied dabei geholfen werden sollte, den Sinn ihrer Arbeit zu finden. Wer ‚Sinn‘ gefunden hat, könne diesen konkret beschreiben wie ‚ich bewirke sichtbare Ergebnisse meiner Arbeit‘.

 

Damit Arbeit als ‚sinnstiftend‘ empfunden werden kann, braucht es nach dem sog. Job Characteristics Modell nach Hackmann und Oldham fünf Zutaten:

 

1.   Vielfalt

2.  Bedeutsamkeit

3.  Sichtbarkeit von Anfang bis Ende (= Ausgangs- und Endprodukt sichtbar)

4.  Ausführbarkeit in relativer Automomie

5.  Feedback

 

Der Punkt "Moral" fehlt in dieser Aufzählung – somit können auch unmoralische Tätigkeiten (z.B. Produzent von Einweggeschirr) sinnstiftend sein – aber (natürlich!) macht erst ein sinnvolles UND moralisches Leben einen glücklichen und Menschen aus...


Im besten Fall also ist es sinnstiftende Tätigkeit, die zu einer inneren Motivation führt. In diesem Zusammenhang wird auf Studien zur Zerstörungskraft von Belohnungssystemen verwiesen. Nicht die Belohnung, sondern die Tätigkeit an sich sei sinnstiftend - also die innere Motivation und nicht der äußere Anreiz. 


Einer Mission im Leben folgen können, dem Leben einen ‚Sinn‘ gäbe und herauszufinden, was der Sinn meines Lebens sei – den Sinn zu erfüllen führe zu Glück. Arbeit müsse als Mittel zum Zweck (= Geldverdienen) jedoch nicht unbedingt glücklich machen, könne aber einen Stellenwert im Leben erhalten, der glücklich und zufrieden mache. 

 

 

Der Sinn des Lebens? Es gibt keinen – 

man muss das Leben in seiner Sinnlosigkeit hinnehmen als das Rätsel, das es ist.

(Philip Roth)

 

 


Sinn und fehlender gärtnerischer Nachwuchs 


Liegt es mit Blick auf den fehlenden gärtnerischen Nachwuchs daran, dass sich die jetzt in das Berufsleben eintretende Generation vor allem für Bildschirme interessiert? Weil in unserer Gesellschaft kognitive Kompetenzen zu hoch und andere Kompetenzen zu niedrig bewertet werden? Weil Studium und akademische Laufbahn mit Prestige und einem trockenem Plätzchen am Schreibtisch mit Dach über dem Kopf lockt? Weil heute über den Begriff Work-Life-Balance ein Gegensatz zwischen Arbeit und Leben beschworen wird? 


Etwa die Hälfte eines Jahrgangs erlangt heute das Abitur und Fachabitur. Fast 3 Millionen Studierenden stehen nur gut eine Million Auszubildenden gegenüber, so wenig wie zuletzt zur Wiedervereinigung. 

 

Aber spricht nicht für einen Ausbildungsberuf allgemein und eine Gärtnerlehre im Speziellen auch...


-      Ausbildung mit Purpose (s.o., "Klimahelden!")

-      Hobby zum Beruf machen: Gärtnern ist gesund und macht glücklich: Grün wirkt entspannend, die Arbeit mit den Händen und den Pflanzen hat meditativen Charakter und sorgt für Stressabbau: nicht umsonst ist das Gärtnern ein so beliebtes Hobby

-      Praktisch arbeiten und sehen, was ich geleistet habe

-      Arbeit und Bewegung draußen statt dauersitzend im Büro, Erleben von Jahreszeiten und Stärkung der Sinne, Sonne, Wind und Wetter

-      Umgang mit Maschinen, Entwicklung von technischem Verständnis und Begeisterung für Technikeinsatz

-      keine Anonymität und weniger hierachische Strukturen von kleinen und mittelständischen Betrieben im Unterschied zur Industrie

-      Entwicklungsmöglichkeiten von Fähigkeiten und Kenntnissen, Schritt in die Selbständigkeit

-      Berufsehre aus Fähigkeitenstolz, Durchhaltevermögen und Pflichtbewusstsein

-      Körperliche Arbeit als Ausgleich zur Kopfarbeit (ohne die es in der Baumschule schon lange nicht mehr geht!) und zu allgegenwärtiger Bildschirmberieselung (Social Media, Gaming,...)

 

Wer denkt, dass bei der Volkskrankheit Rückenschmerzen körperlich anstrengende Berufe an der Spitze stehen, der irrt! 


Der rückenunfreundlichste Arbeitsplatz ist das Büro: Langes Sitzen begünstigst die Erschlaffung der Muskulatur. Hinzu kommt Bewegungsmangel bei Bürotätigkeiten. Auf weiteren vorderen Plätzen bei den körperlich anstrengenden Berufen liegen Fliesenleger, Lkw-Fahrer und Pflegekräfte – aber keine Gärtner! 

 


Einen Großteil unserer Lebenszeit verbringen wir mit Arbeit – Glücklichsein (oder, langfristiger, Zufriedenheit) mit Arbeit zu verbinden ist somit naheliegend. Ein Forscherteam der London School of Economics befragte in einer Studie zum Thema ‚Glück am Arbeitsplatz‘ europaweit 20.000 Menschen.


Als Glücks-/ Zufriedenheitsfaktoren hab sich dabei herauskristallisiert:

 


Der Chef-Faktor

 

Chefs und die Art von Kommunikation und Wertschätzungen wurden als bedeutendste  Einflussgröße auf die Zufriedenheit am Arbeitsplatz genannt.

 

Als ebenfalls sehr wichtig wurden genannt:



Die Bezahlung 


Mehr Geld kann Voraussetzung für mehr persönliche Freiheit sein; dazu zählen auch geldwerte Zusatzleistungen.



Die Arbeitsatmosphäre


Die Atmosphäre im Betrieb wird u.a. bestimmt durch faire Behandlung, Wertschätzung, Kommunikation, der Möglichkeit zur Mitwirkung an Entscheidungsprozessen, Kollegium und Teamspirit. Neid und Mobbing sowie fehlende Interesse des Chefs an den Belangen der Mitarbeitenden sind gravierende Zufriedenheitskiller.


Faktoren wie Entwicklungsmöglichkeiten und Übernahme von Verantwortung scheinen dagegen nicht für alle Befragten wichtig oder erstrebenswert.






Mitarbeitende als entscheidende Ressource: 

Wie gewinnen und halten?




Schlagwort Nr. 1 bei Fragen der Zufriedenheit im Job ist derzeit die Frage nach der Work-Life-Balance. Laut der Studie ist diese Ausgewogenheit zwischen Freizeit und Beruf jedoch nicht das wichtigste Kriterium bei der Bewertung der Arbeitszufriedenheit.

 

Und so lässt sich vermuten, was auch hinter der Fragestellung nach Reduzierung von Arbeitszeiten zu Gunsten von Life – z.B. im Zuge der Einführung der 4-Tage-Woche stehen könnte: 


Nämlich die Suche nach einem Wettbewerbs-vorteil bei der Gewinnung des allenthalben dringend gesuchten Fachpersonals – auch wenn viele dazu befragte Arbeitgeber diesen Punkt lieber ein wenig hinter eben jener Work-Life-Balance und der Sorge um die Gesundheit der Mitarbeitenden verstecken. 



Gleiche Bezahlung bei Reduzierung der Wochenarbeitszeit?

 

Dieses Versprechen bedeutet nichts anderes als die Erhöhung der Produktivität in der verbleibenden Zeit und führt auf der Work-Seite zu einer weiteren Verdichtung der ohnehin in vielen Branchen bereits stark verdichteten Arbeit. 

 

Befürworter der 4-Tage-Woche verweisen auf die Erfordernis einer verbesserten Organisation von Arbeitsabläufen, um diesen Schritt gehen zu können und fügen sogleich an, dass die Mitarbeitenden sehr motiviert seien, für lange Wochenenden diesen Schritt in die weitere Verdichtung mitzugehen . Wie lange wird diese Motivation anhalten, wenn daraus schlimmsten-falls ein Mo-Do-Worktunnel entsteht? Oder müssen wir uns zurückerinnern an die Zeit, als der Sonnabend als Regelarbeitstag und damit die 6-Tage-Woche abgeschafft wurde - und es funktionierte?


In vielen Bereichen lässt sich Arbeit aufgrund von Personalmangel kaum mehr bewältigen, müssen Aufträge abgesagt, Ruhetage eingeführt werden.


Im Dienstleistungsbereich lassen sich jedoch zahlreiche Aufgaben und Projekte trotz 5-Tage-Woche trotz weiterer Arbeitsverdichtung wie den seit der Corona-Pandemie obligatorischen Videokonferenzen nicht ohne Überstunden bewältigen. 


Hier könnte eine 4+1-Tage-Woche ein erster Schritt zur Verbesserung der Produktivität sein: 4 Tage mit Tagesgeschäft und ein Tag reines Back-Office, an dem die Umsetzung eines Tagesplanes tatsächlich gelingt, weil das Tagesgeschäft ruht.

 

Die Vermutung liegt nahe, dass sich eine 4-Tage-Woche durchaus auch im Bereich der Baumschulwirtschaft einführen ließe. Abgesehen vom zeitlich befristeten Wettbewerbsvorteil der 4-Tage-Woche-Pioniere bei der Personalgewinnung – bleibt es womöglich eine Milchmädchenrechnung. Der Fachkräftebedarf lässt sich durch eine pauschale Reduzierung der Wochen-arbeitszeit dauerhaft nicht ohne Auswirkungen auf Umsatz und Ertrag ausgleichen, auch weil Ressourcen ausgeschöpft werden. 


Und: Können und wollen sich die Mitarbeitenden die Gehaltseinbußen durch Stundenreduzierung überhaupt leisten? Reichen die Kräfte bei gleich-bleibender Gesamtarbeitszeit bei der Verdichtung auf 4 Arbeitstage auch für körperlich anstrengende Tätigkeiten?

 




Reichen die Kräfte bei Erhöhung des Arbeitsdrucks und weiterer Arbeitsverdichtung einer 4-Tage-Woche?



Eine pauschale Stundenreduzierung ohne Gehalts-einbußen führt zu höheren Produktpreisen. Ist das Unternehmen dann noch wettbewerbsfähig?

 

Zahlreiche Studien und Pilotprojekte konnten zeigen, dass auch Unternehmen in vielerlei Hinsicht von der Einführung einer 4-Tage-Woche profitieren. Trotzdem lässt sich deren Eignung nicht für alle Branchen verallgemeinern.

 

Was wäre, wenn die bei der Einführung einer 4-Tage-Woche stets postulierte Effizienzverbesserung von Arbeitsabläufen und Aufgabenorganisation in einer 5-Tage-Woche zu einer Entspannung auf der Work-Seite beitragen könnten? Oder – wenn wie in einem vom Saisongeschäft geprägten Betrieb wie einem Baumschulbetrieb - die Wochenarbeitszeit stärker flexibilisiert würde? 

 

Überraschung: Das passiert in vielen Betrieben der Baumschulbranche längst! 


Das Instrument dazu nennt sich Jahresarbeitsplan. Arbeitsspitzen während der für die Branche typischen saisonalen Pflanz- und Versandsaison in Frühjahr und Herbst werden während der arbeitsärmeren Winter- und Sommermonate ausgeglichen – entweder durch kürzere Tagesarbeitszeiten oder durch ganze freie Tage. 


Das jeweils beste Arbeitszeitmodell ist womöglich das, welches am besten zu den Unternehmenszielen und den Wünschen der Mitarbeitenden passt. 

 

Dieses Modell werden wir im Produktionsbetrieb der Bradfisch Baumschulen KG für das Team und mit dem Team weiter optimieren. Dies bedeutet die Verbesserung von Arbeitsabläufen und auch eine weiter fortschreitende Technisierung. Die Gesundheit unserer Mitarbeitenden bleibt die Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften. Und die Gesundheit halten wir für genauso wichtig wie das Gefühl, die Arbeit bewältigen zu können. 

 

Mit dieser Prämisse, einem sehr guten Teamspirit und guter Arbeitsatmosphäre werben auch wir um Arbeitskräfte und Azubis:

 


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Veröffentlicht in Baumschule am 28.08.2023 11:07 Uhr.

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Inh.: Bettina Stoldt, Dipl.-Ing. agr. (FH)

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