Anhang 2.2
Verbotsliste invasiver gebietsfremder Organismen (Verbot für das
Inverkehrbringen), Auswahl:
- Buddleja davidii (Schmetterlingsstrauch)
- Cotoneaster horiziontalis (Korallenstrauch)
- Lonicera henryi (Immergrünes Geißblatt)
- Parthenocissus quinquefolia (Gewöhnliche Jungfernrebe)
- Paulownia tomentosa (Blauglockenbaum)
- Phyllostachys aurea (Gold-Bambus)
- Prunus laurocerasus (Kirschlorbeer)
- Prunus serotina (Späte Traubenkirsche)
- Pseudosasa japonica (Japanischer Bambus)
Buddleja davidii - in der Schweiz künftig verboten
Wesentlich mit Blick auf Produktionszahlen und Verbreitung erscheinen
die Listungen von Kirschlorbeer und Schmetterlingsstrauch – also von zwei nicht
nur sehr verbreiteten, sondern auch bekannten Arten und im Fall des
Schmetterlingsstrauches zunächst offenkundig paradoxem Verbot.
Gerade dieses
Gehölz wird von vielen Gartenfans als ‚gut
für die Insekten‘ eingeschätzt, gepflanzt und bewundert. Und zwar in erster
Linie auch von Menschen, die sonst vielleicht gar nicht so sehr auf Pflanzen
achten.
Die Ächtung des Schmetterlingsstrauches könnte dem Thema insektenfreundlicher Garten insofern einen Bärendienst erweisen, wenn Buddleja davidii bisher
quasi als Archetyp und Einsteigermodell eines insektenfreundlichen Gartens
verstanden wurde.
Das Schweizer Verbot
hat das Ziel, die Verbreitung zusätzlicher als invasiv geltende gebietsfremde
Arten in die Umwelt zu verhindern. Die Frage des
Umgangs mit invasiven Arten lässt sich diskutieren, Stichwort Kolumbus-Effekt:
Mit der Entdeckung
Amerikas begann eine weltweite Verflechtung, die sich zur Globalisierung
weiterentwickelt hat. Mit der Wareneinfuhr wurden seit 1492 auch fremde Flora
und Fauna in Gebiete eingeführt, in denen sie bis dahin nicht vorkamen.
Das von Thünen-Institut
hat 2015 unter dem Titel Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten (Vor, Spellmann, Bolte und Ammer, Hrsg., Universitätsverlag Göttingen) Baumartenportraits mit einer
naturschutzfachlichen Bewertung veröffentlicht.
Zu diesen eingeführten Baumarten zählt auch der auf der
Schweizer Umgangsverbotsliste 2.1 gelistete Essigbaum (Rhus typhina) charakterisieren
die Wissenschaftler als „kurzlebiges
Pioniergehölz“.
Ökologisch betrachtet besiedele der Essigbaum hierzulande
in der Regel ruderale Standorte oder stark gestörte Landschaftsräume. In den durch
Ausläufer gebildeten Horsten könnten sich aufgrund der großen Wurzelkonkurrenz
kaum andere Pflanzen etablieren. Andererseits könnten sich die Horste nicht
unbegrenzt ausdehnen und es könnten keine Reinbestände auf großen Flächen
gebildet werden.
Als Pflanzenverwender oute ich mich: Ich mag Essigbäume - in der Pflanzenproduktion der Baumschule Bradfisch spielt Rhus typhina keine Rolle
Die Gefährdung der Biodiversität und die Invasivität wird
differenziert eingeschätzt: Einerseits lägen die durch den Essigbaum
gefährdeten Landschaftselemente in Mitteleuropa fast ausschließlich außerhalb
geschlossener Waldbestände und an Waldrändern (hoher Lichtbedarf!). Auf
ebendiesen Flächen, die typischerweise der natürlichen Sukzession unterlägen,
seien Maßnahmen zum Schutz seltener Arten und zur Offenhaltung der Landschaftsstruktur
notwendig. Rhus gelte etwa in Serbien als invasiv und dominiere dort lokal
Ruderalbestände. In geschützten Wäldern komme die Art jedoch nicht vor.
Und Kirschlorbeer?
Diese Art wird in der vorgenannten Publikation nicht
behandelt. Deren Verbreitung erfolgt in der Regel über die Bewurzelung von unfachmännisch
oder illegal entsorgtem Schnittgut oder durch die Ausscheidung von Samen von
Vögeln gefressener Beeren. Unsere eigenen Beobachtungen
zur Invasivität von Kirschlorbeer beschränken sich im norddeutschen Raum auf
den Wiederaustrieb von Schnittgut.
Junge Kirschlorbeerpflanzen in
Benachbarung zur 'Mutterpflanze' -
die Ausbreitung erfolgte hier offensichtlich
durch die Bewurzelung von nicht
vollständig entferntem Schnittgut
- kein Wunder, dass Kirschlorbeer
zu den günstigsten Heckengehölzen zählt:
Die Stecklinge bewurzelt i.d.R. problemlos
In der Europäischen
Union taucht Kirschlorbeer in der als sog. ‚Unionsliste‘ geführten Liste
invasiver gebietsfremder Arten (Stand 2022) im Unterschied zum berüchtigten
Götterbaum (Ailanthus altissima) bislang nicht auf.
Verkauf und
Pflanzung von Kirschlorbeer sind und bleiben innerhalb der Europäischen Union uneingeschränkt
erlaubt. In der Schweiz, die bekanntermaßen kein Mitglied der EU ist, scheint ein Problem mit
Kirschlorbeer und weiteren typischen Gartengehölzen zu bestehen, das ab September 2024 zu vorbeschriebenen Verboten führt.
Die Studienlage zur Invasivität von Kirschlorbeer in hiesigen Wäldern ist dünn. Allerdings gibt es eine Studie des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Titel Etablierung von Kirschlorbeer in mitteleuropäischen Wäldern, in deren Ergebnis Kirschlorbeer auch hierzulande ein hohes invasives Potenzial zugeschrieben wird und so eine dauerhafte Veränderung der Artenzusammensetzung und Waldstruktur wahrscheinlich erscheinen lasse.
Eine Kurzzusammenfassung der Studie lässt sich über diesen Link auf den Seiten des idw - Informationsdienst Wirtschaft - nachlesen.
Als Hauptgrund für die zunehmende Etablierung von Kirschlorbeer in Wäldern werden die durchschnittlich gestiegenen Wintertemperaturen des eigentlich frostempfindlichen Kirschlorbeers vermutet. Kirschlorbeer sei Konkurrent für alle weiteren Unterholz bildenden Arten. Durch Veränderung der Bodenchemie könne die Pflanze auch für Bodenorganismen ungünstige Auswirkungen haben.
Als
Pflanzenproduzent und somit mitverantwortlicher Spieler im Kirschlorbeerkosmos sollten wir nicht in einen Whataboutismus-Modus schalten, sondern lieber
aufklären und Empfehlungen für geeignete oder sogar bessere Alternativen aussprechen.
Aufklärung scheint auch
der erste Ansatz des Bundesumweltministeriums zu sein, das bereits im Jahr 2021 zum Management
invasiver gebietsfremder Arten einen rd. 70 Seiten starken Aktionsplan erstellt
hat. Darin werden mit Blick auf unterschiedliche sog. ‚Pfade‘ der Verbreitung invasiver
und gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten jeweils Maßnahmenvorschläge für unterschiedliche
beteiligte Akteure aufgezählt.
Für den Bereich der
Baumschulen und Gärtnereien bedeutet dies u.a. die Berücksichtigung der Thematik
auch in Berufsausbildung und Weiterbildung, die Information über rechtliche
Bestimmungen und Aufklärung über Möglichkeiten zur Prävention.
Mehr
Informationen zum durch das Schweizer Verbot hochgekochte Kirschlorbeer-Thema
finden Sie auf unserer Webseite um Thema Pflanzenverwendung hier:
Böse Hecken: Thuja und Kirschlorbeer roden und verbieten?
Verbote, Vorschriften und die Sache mit der Reaktanz
Als Reaktanz wird eine sozialpsychologische Abwehrreaktion bezeichnet: Wird etwas verboten, dann wird mir mein Freiheitsspielraum eingeschränkt. Gerade die Wahlmöglichkeit, die eingeschränkt wird, erhält eine Aufwertung. Bekannte Beispiele aus der Politik sind die Idee des Veggie-Days, die überarbeiteten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft zur Ernährung (DGE) zur Beschränkung des Verzehrs auf ein Hühnerei pro Woche oder der erste Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG, "Heizungsgesetz").
Der ndr problematisiert auf seiner Webseite invasive Arten im Garten (Link): "Darum sind sie problematisch".
Dort wird aufgeklärt (Unterschied zwischen Neophyten und invasiven Neophyten), andererseits aber auch undifferenziert verallgemeinert. Sprechen wir von Gärten im ländlichen Siedlungsraum oder von Gärten in urbanen und suburbanen Bereichen? Welche Lebensräume werden durch invasive Neophyten konkret bedroht? Es sind i.d.R. Sonderstandorte für an die besonderen Bedingungen spezialisierte (heimische) Pflanzen, die aber eher nicht in der unmittelbaren Umgebung urbaner Gärten zu finden sind. Beispiel Essigbaum als invasiver Neophyt:
Selbst der größte Ausläuferbildner unter den Essigbäumen wird es nicht einmal über die nächste Kreuzung schaffen. Das passiert nur, wenn Gartenabfälle direkt in der Natur/ freien Landschaft entsorgt werden.
Für die Pflanzenwelt in Gärten mit ganz anderen Standortverhältnissen im Vergleich zur freien Landschaft bleibt im Licht der Klimaveränderungen der andere große Zusammenhang: Welche Arten können im Garten zu einem stabilen pflanzlichen Grundgerüst beitragen und künftig ohne automatische Beregnung und ohne Pflanzenschutzmaßnahmen überhaupt überleben?
Was den Schutz seltener oder spezialisierter Insekten angeht, die in enger ökologischer Beziehung zu speziellen Pflanzen stehen, so wird es auch bei konsequentem Verzicht auf Neophyten nicht gelingen, eine Art von Wunschinsektenpopulation anzusiedeln. Deren Lebensräume reichen in der Regel über die im urbanen/ suburbanen eng geschnittenen Gartengrenzen hinaus.
Als Pflanzenproduzent auch von Kirschlorbeerarten vertreten wir die Meinung,
dass auch eine Hecke aus Kirschlorbeer im (wohlgemerkt urbanen, niemals aber ländlichen!) Siedlungsbereich
für Tier- und Insektenwelt allemal wertvoller ist als keine Hecke oder die offenbar invasive
Verbreitung von Doppelstabgitter-zäunen mit ‚Lappenbehang‘ in Gärten.
Whataboutismus für Kirschlorbeer-Produzenten: Doppelstabgitterzäune mit Lappenbehang,
Isolation hinter Frischhaltefolie
Diese
Frischhaltefolienlösung ist nicht nur gartenästhetisch und für das Ortsbild eine Katastrophe, sondern bedeutet für Lebensräume im Siedlungsgebiet, die sich gerade durch miteinander verbundene Gärten
und Grünflächen auszeichnen, eine überaus starke Barrierewirkung.
Welches Verhältnis zur Natur, zu Lebewesen und zum Gartenverständnis drücken derartige "Gestaltungen" des eigenen unmittelbaren Stückchens Grün aus?
Kirschlorbeer und mit ihnen im Schlepptau Glanzmispeln (Photinia) und Portugiesische Lorbeerkirsche (Prunus lusitanica 'Angustifolia') halten wir als Pflanzenproduzent und Pflanzenverwender in unseren Gärten aus gartengestalterischen wie gartenästhetischen Gründen für verzichtbar.
Ganz sicher jedoch werden
Kirschlorbeer et al. der Biodiversität im Garten nicht den Rest geben, wenn Stauden,
Gräsern, Gehölzen und ‚wilde Ecken‘ als ein vielfältiges und abwechslungsreiches Mosaik einen insektenfreundlichen Garten
bilden. Diese Mischung macht’s, Zäune tun dies nicht, Pflanzenverbote aus unserer Sicht auch nicht.