Pflanzenmobbing

In den Wochenendausgaben einiger Tageszeitungen (u.a. in Zeitungen des shz) herrscht zum Start der Gartensaison Mitte März Pflanzenalarm

Gefahr für heimische Tierarten!

Schön, aber schädlich!

Sechs ökologische Sünden im Garten

Diese 6 Sträucher sollten Sie aus Ihrem Garten verbannen

 



Konfliktfeld exotische vs. heimische Pflanzenarten: 

Nebeneinander im Garten ausgeschlossen?



Autorin Anne Brabetz warnt in einem knapp ganzseitigen Beitrag vor exotischen Sträuchern und Büschen. Diese seien in Gärten aufgrund ihrer Optik und ihrer Wuchsgeschwindigkeit weitverbreitet, doch verursachten diese „erhebliche ökologische Probleme (…) – denn sie verdrängen heimische Arten und stören das Gleichgewicht der Ökosysteme“.

 

Deshalb: „Diese 6 Sträucher sollten Sie aus Ihrem Garten verbannen“ (NOZ-Titelzeile, hier über die Webseite der Online-Ausgabe der NOZ vom 15.03.2025 oder hier über die Webseite des shz nachzulesen)

Gemobbt werden:

Prunus laurocerasus

breite sich “zunehmend in deutschen Wäldern aus, wo er durch seinen dichten Wuchs das Licht für bodennahe Pflanzen wie Bärlauch oder Buschwindröschen blockiert und somit die heimische Flora verdrängt“

 

Thuja

praktische immergrüne und dichte Heckenpflanze, besitze ökologisch “jedoch kaum Mehrwert”, „anfällig für Trockenheit und Staunässe“

 

Chamaecyparis

ökologisch “wenig wertvoll, da sie heimischen Tieren weder Nahrung noch Lebensraum bietet. Zudem sind alle Pflanzenteile für den Menschen giftig“

 

Rhododendron

Die meisten Rhododendron-Arten seien „für Menschen und Tiere giftig, einschließlich Nektar und Pollen. Da sie auch von heimischen Insekten und anderen Tieren kaum genutzt werden, haben sie kaum ökologischen Nutzen.“

 

Buddleja davidii

Dieser Strauch “breitet sich in der freien Natur stark aus und verdrängt dabei heimische Pflanzenarten“

 

Ailanthus altissima

Aufgrund seiner hohen Widerstandsfähigkeit und Trockenresistenz sei er insbesondere in städtischen Gebieten „beliebt“, verhalte sich durch seinen großen Ausbreitungsdrang jedoch invasiv und stehe in der EU daher auf der „Liste der unerwünschten Arten“.



Um es vorweg zu nehmen: Niemand ist hierzulande verpflichtet, eine der vorstehenden Pflanzen-arten aus seinem Garten zu entfernen. Arten der sogenannten Unionsliste der EU, die invasive gebietsfremde Arten mit EU-weiter Bedeutung umfasst, dürfen tatsächlich nicht mehr in den Handel gebracht werden. Auf dieser Liste steht der Götterbaum (Ailanthus altissima) – aber mal ehrlich: Wer hat oder plant in seinem Garten einen Götterbaum?

 

Die Autorin des Artikels ist studierte Musikwissen-schaftlerin mit Erfahrungen in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, zuletzt tätig als Content Marketing Managerin. Es ist selbstverständlich, dass sich nicht nur Fachidioten (und -idiotinnen) aus dem Dunstkreis Botanik, Ökologie, Gartenbau und Pflanzenverwendung zu Pflanzen- bzw. Gartenthemen äußern und Gedanken machen dürfen. 





Welchen ökologischen Schaden könnte eine Gruppe Buddleja davidii auf dieser Schotterfläche wohl anrichten? Gerade den Schmetterlingsstrauch als Einstiegsgehölz in das Thema Insekten aus Gärten zu verbannen ist vielleicht keine so gute Idee




Gärten sind allgegenwärtig und Teil unserer unmittelbaren Umwelt. Als redaktioneller Beitrag vom Typus „Gartentipps“ in der Wochenendausgabe mehrerer Zeitungen ist ein solcher Artikel mit Blick auf den praktischen Informationsgehalt aus Sicht einer Pflanzenproduzentin und -verwenderin jedoch ärgerlich: 


Keine einzige gärtnerische oder ökologische Fragstellung wird gelöst, wenn Kurzsteckbriefe von je 6 „Schädlingen“ auf 6 „Nützlinge“ treffen. Warum? Mit Blick auf die Pflanzenverwendung fehlt es an Augenhöhe und Verständnis für Fragen der Pflanzenverwendung in Gärten. 


Die Verunsicherung in Sachen angebliche oder tatsächliche Pflanzenverbote führt mittlerweile dazu, dass bestimmte Pflanzen tatsächlich aus Gärten entfernt werden - zumindest wenn ich auf anekdotische Evidenz aus dem unmittelbaren Freundeskreis baue. Diese Freunde und Gartenbesitzer unterscheiden in Sachen Pflanzen grob vereinfacht so etwa zwischen Birke (Dreck) und Sonnenblume und halten Landschaftsarchitekten für diejenigen, die auf dem Sportplatz den Rasen mähen.

 

Kirschlorbeer und Thuja also raus: Was wäre denn konkret eine geeignete, ökologisch wünschenswertere Alternative für eine Pflanzaufgabe wie „Hecke, schnellwachsend, formschnittverträglich, gerne blickdicht“? Die sechs aufgeführten ‚guten‘ Arten sind es jedenfalls nicht.

 

Als empfehlenswert werden aus einer Heimische-Sträucher-Liste des Nabu sechs Gehölzarten als Substitute aufgeführt, denn diese böten „Insekten und Vögeln Nahrung und Lebensraum“ und seien besser an die lokalen Bedingungen angepasst.


Aufgeführt werden 


-      Schneeball (Wolliger Schneeball und Wasser-Schneeball, Viburnum lantana, V. opulus)

-      Kornelkirsche (Cornus mas, „echte Allrounderin“)

-      Gemeine Berberitze (Berberis vulgaris),

-  Faulbaum (Rhamnus cathartica, R. frangula, „sehr anpassungsfähig“)

-      Rote Heckenkirsche (Lonicera xylosteum, „hat einen großen Wert für die Tierwelt“)

-      Besen-Ginster (Cytisus scoparius, „Spezialist für karge Sand- und Steinböden“)

 

Bepflanzungsaufgaben lassen sich zufriedenstellend nicht durch die zufällige Wahl von sechs x-beliebigen heimischen Wildgehölzarten wie aus in dem Vokabelheft lösen.

 

Die „exotischen“ Arten Thuja, Kirschlorbeer und Rhododendron werden durch die Eigenschaft "giftig"abgewertet, während die Giftigkeit der zu bevorzugenden heimischen Arten Schneeball (Viburnum), Berberitze (Berberis), Faulbaum (Rhamnus), Heckenkirsche (Lonicera) Besenginster (Cytisus) – also die Giftigkeit von 5 der 6 vorgestellten „Guten“ - unerwähnt bleibt. 

 

Auch die falsche pauschale Behauptung, Nektar und Pollen von Rhododendron seien giftig, trägt nicht gerade zum Leumund des Zeitungsartikels bei, ebensowenig wie ein falsches Stockfoto, das statt Buddleja davidii eine kleine Syringa-Art zeigt.


Thuja wird kritisiert, „anfällig für Trockenheit und Staunässe“ zu sein, „was mit zunehmenden Auswirkungen der Klimakrise problematisch sein kann“.  Gerne hätte ich von gartentauglichen Artenvorschläge für klimakrisenfester staunasse Standorte gelesen…

 

Exotische Arten werden unter Generalverdacht gestellt, dass Gebietsfremdes, Eingewandertes grundsätzlich ökologisch negativ ist. 







Lappenzäune tragen nicht wirklich 

zur Biodiversität in unseren Gärten bei, sondern verschandeln das Ortsbild. Einzelne Kommunen im Norden versuchen, sowohl Kirschlorbeer (Stadt Ahrensburg) wie Lappenzäune (Stadt Norderstedt) auf Privatflächen per Satzung zu verbieten: Bislang ohne Erfolg. Besser als Verbote im Sinne des Schilder-Klassikers "Vernünftige fahren hier nicht mit dem Fahrrad" wären Aufklärung und Einsicht und speziell in Sachen Lappenzaun ein wenig ästhetische Grundbildung und in dubio Grundstückeinfriedung ganz klar pro Kirschlorbeer



Die Frage sei erlaubt, ob exotische Arten im städtischen Umfeld nicht sogar zu einer Erhöhung der Diversität führen in einer Umwelt, die mit Blick auf die Artenzusammensetzung von Pflanzen und Tieren seit der menschlichen Inkulturnahme niemals über lange Zeiträume unverändert geblieben ist. 

 

Einige der als „schädlich“ gelisteten Pflanzenarten, die ursprünglich und teils vor langer Zeit von Pflanzenjägern und -sammlern nach Europa mitgebracht wurden, kommen mit den sich in beängstigender Geschwindigkeit ändernden klimatischen Rahmenbedingungen vor allem im städtischen Umfeld unerhört prima zurecht!

 

Niemand muss Fan von Kirschlorbeer und Götterbaum sein, aber deren Fähigkeiten mit Blick auf sehr schwierige Standortbedingungen sind vor allem mit Blick auf die Dürreresilienz respektabel: Weil beide Arten außerordentlich trockenheitsverträgliche Gewächse sind, konnten sie – anders als zahlreiche als heimisch geltende Gehölze - den Dürreperioden der vergangenen Jahre trotzen. 

 

Kirschlorbeer ist ein Gehölz für raschwüchsige, immergrüne, unverwüstlich-trockenheitsverträgliche Hecken und dabei auch noch preisgünstig.

 

Es gibt fantastische Kirschlorbeer-Solitärs, die durch Aufastung zu Pflanzenskulpturen kultiviert wurden und mit ihren großen, ledrig-derbem Hartlaub südliches Flair verbreiten. 


Naturschützer und Kirschlorbeer-Mobber dürfen aufatmen: Die fetten Kirschlorbeer-Jahre als schnelldrehender Umsatzbringer in der Baumschulwirtschaft sind angesichts von Verbotsdiskussionen und tatsächlichen Verboten (Schweiz, seit 2024) vorbei. Kirschlorbeer läuft nicht mehr - und das ist ok.



Mittlerweile ist als Hecke gepflanzter Kirschlorbeer in seiner monokulturellen Allgegenwart vor allem in Neubaugebieten regelrecht zum pflanzenästhetischen Plebs mutiert. 


Kirschlorbeerhecken sind sehr oft entbehrlich, weil aus dem Blickwinkel der professionellen Pflanzen-verwendung gleich gut oder besser geeignete, attraktivere und auch heimische Arten zur Verfügung stehen. Denn – und da kommen auch noch einmal Rhododendron ins Spiel – die Ökologie ist ein (sehr wichtiger) Aspekt in der Gartengestaltung – alleine angesichts der schieren Flächengröße, die alle Gärten in Addition ergeben.

 

Ökologie im Garten ist aber nicht der einzige Aspekt.


Weitere Auswahlkriterien bei der Pflanzenverwendung sind Gartenästhetik (Freude an jahreszeitlicher Veränderung, Stuktur- und Raumbildung, Farbe und Textur von Pflanzenbildern), für Pflanzensammler ist es eine große Vielfalt an unterschiedlichen Pflanzenarten, für wieder Andere wird der Garten in erster Linie für Freizeit und Erholung genutzt. 

 




Aber Hauptsache kein Kirschlorbeer



Es geht hier und in dem Zeitungsbeitrag um Gärten als ein abgegrenztes Stückchen Fläche, in dem Pflanzen kultiviert werden. Es geht weder um Pflanzungen in der freien Landschaft, noch um extensives Straßen-begleitgrün, nicht um Rekultivierung oder ingenieurbiologische Pflanzmaßnahmen und in den allerallermeisten Fällen auch nicht um die Pflanzenauswahl für Extremstandorte in Gärten (Faulbaum, Besenginster).

 

Heimische plus exotische Pflanzen können und sollten idealerweise nebeneinander im Garten ein Mosaik bilden, das sowohl ökologischen und gartenästhetischen Belangen, den gewünschten Funktionen sowie den berechtigten Nutzungswünschen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner gerecht wird. Die pauschale Verbannung von exotischen Pflanzenarten aus dem Garten und die Nennung zufällig ausgewählter heimischer Wildgehölzarten wie der Beitrag es empfiehlt wird dazu wohl eher nicht beitragen.

 

Es gibt eine Reaktion des BdB (Bund deutscher Baumschulen), Landesverband Schleswig-Holstein auf den Zeitungsartikel. Im neuesten Rundschreiben an seine Mitglieder spricht der Verband ebenfalls von ‚Kirschlorbeer-Mobbing‘


In Abstimmung mit der Redaktion des vom shz herausgegebenen Pinneberger Tageblatts erscheint eine Wochenendausgabe nach dem Gehölzbann-Artikel 

unter der Schlagzeile „Schlechtes Gewissen wegen Thuja Sommerflieder oder Kirschlorbeer? Bloß nicht“ ein halbseitiger Beitrag. 


Darin werden Aussagen klargestellt und sinnvolle Tipps gegeben „für alle, die ihren Garten neu gestalten oder die aktuelle Gestaltung weiterentwickeln möchten“. 

 

Diesen Tipps schließen wir uns an:


-      auf funktionsgerechte Pflanzenauswahl setzen

-      Platzverhältnisse und arttypische Wuchsgrößen beachten

-      Auswahlkriterium ökologischer Mehrwert für Vögel und Insekten (Obstgehölze!) berücksichtigen

-      Überlegungen zu Blütezeiten nicht vergessen (Blütezeitkalender)

-      Sich fachlich beraten lassen!

 

Sie möchten mehr dazu lesen, wie wir das Spannungsfeld zwischen Ökologie und Gartengestaltung sehen? Wir beschäftigen uns schon länger mit dem Themenkomplex insektenfreundliche Pflanzung und Pflanzenverbote:


Pflanzen für einen insektenfreundlichen Garten: Gut für Bienen, Hummeln, Schmetterlinge

 

Thuja und Kirschlorbeer roden und verbieten? Böse Hecken


Pflanzenverbote: Immer wieder Kirschlorbeer


Veröffentlicht in Pflanzen, Klima, Politik am 28.03.2025 16:00 Uhr.

Whatever it takes - oder: Ich bin auch Infrastruktur!

„500 Milliarden Euro wollen Union und SPD in Straßen, Schulen und Schienen investieren. Das weckt fragwürdige Begehrlichkeiten – und könnte Inflation auslösen“



So titelt ZEIT ONLINE am 13.03.2025 (Link, Bezahlschranke), dem Tag, an dem im Deutschen Bundestag der Kanzlerkandidat der Union in einer Mischung aus Charmeoffensive und trotzigem Wutausbruch bei den Grünen um Zustimmung für seine Schuldenpolitik wirbt.


Weiter heißt es in dem Artikel:

„Keine 24 Stunden nachdem der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ein Sondervermögen angekündigt hatte, meldete sich der Bund deutscher Baumschulen zu Wort: Bis zu fünf Milliarden Euro müsse die Bundesregierung bereitstellen, um Bäume und Sträucher zu pflanzen und so das Klima in den Städten zu verbessern.“ (ZEIT ONLINE)


Die Baumschullobby als Trittbrettfahrer mit „fragwürdigen Begehrlichkeiten“ auf dem Zug des Sondervermögens – so stellt es die ZEIT dar: 


Bäume als Buhmänner, Umbau und Ertüchtigung der grün-blauen Infrastruktur als „fragwürdige Begehrlichkeiten“, als Lobbyistenforderung in der Anstehreihe der potenziellen Wahlgeschenkeempfänger Pendler, Bauern und Gastronomen?

 

Was war passiert: 


Der BdB erklärt in einem Papier, dass zu den Bedrohungen für unser Land nicht nur fremde Mächte zählten, sondern auch der Klimawandel, so dass neben der grauen Infrastruktur auch „die Stadtbegrünung mit ihren existentiellen Wirkungen für das Stadtklima, d.h. die Gesundheit der Bevölkerung, und die biologische Vielfalt auf heutigem Stand zu ertüchtigen“ benötige man „bis zu fünf Milliarden Euro“ (Markus Guhl, BdB-Hauptgeschäftsführer)

Zur Erfüllung europäischer Vorgaben aus dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur seien weitere Milliardeninvestitionen in den nächsten zehn Jahren nötig.

 

Überschrieben ist das BdB-Papier (Link) mit dem Titel


„BdB mahnt: 

Die grüne Infrastruktur politisch positionieren“


Vor einem Jahr fuhr auch ein Teil des Baumschulkollegiums ganz vorne bei den Schlepper-protesten der Landwirte gegen die Ampelentscheidung zur Kürzung der Agrardieselsubventionen mit. Die Protesthaltung richtete sich in erster Linie gegen die Grünen in der Ampelregierung.




Baumschule Bradfisch setzt auf das Beste aus beiden Welten:  Wir transportieren unsere Bäume künftig mit zwei Bundeswehr-Anhängern – allerdings sind wir noch unsicher, ob wir die mit grünen oder schwarzen Nummernschildern zulassen werden… (Zwinkersmiley)


Die grüne Infrastruktur politisch positionieren“ (BdB) – war das im zurückliegenden Wahlkampf nicht diese nervige Privatangelegenheit der Grünen? 


Lieber billiger Agrardiesel, ein hämisch-schenkelklopfender Abschiedsgruß „Goodbye, gute Reise, auf Nimmerwiedersehen“ (M. Söder bei seiner Aschermittwochsrede) für den scheidenden Wirtschaftsminister Robert Habeck und überhaupt, das ganze Klimagedöns? 


Doch nun werden die Stimmen der Grünen für Grundgesetzänderungen benötigt, um Investitionen in bisher ungekanntem Ausmaß zu ermöglichen. Mit dem schwarz-roten Verweis auf ihre staatspolitische Verantwortung mögen sich die Grünen doch bitteschön ihr grünbubbeliges Privatvergnügen namens Klimaschutz ins nächste wiederzuvernässende Moorstück stecken?


Nach dem freistaatspolitischem Statement „es muss für die CSU was rüberwachsen“ (M. Söder) ist es plötzlich an den Grünen, die grüne Infrastruktur politisch zu prioisieren.


Zurück zur Forderung des BdB: Sind gesichert festgeschriebene Investitionen (auch) in die grün-blaue Infrastruktur als Basis für klimaresilientere Städte nun eine langfristige Verbesserung der Lebensbedingungen aller Bürgerinnen und Bürger?  Oder handelt es sich nur um lobbybehaftete Trittbrettfahrerei, wie ZEIT ONLINE dies beschreibt?


Da sollte die Baumschulwirtschaft womöglich in der aktuellen Diskussion doch besser auf das Regulativ und die Durchsetzungskraft der Grünen hoffen. Und bei einigen Berufskollegen wie in der scharz-roten Verhandlungsdelegation die Bereitschaft zum Umparken im Kopf wachsen.


Nachtrag vom 14.03.25, nachmittags


Die Grünen haben durchgesetzt, dass im Sondervermögen Infrastruktur 100 Milliarden für den Klimaschutz vorgesehen sind. Die finanzierten Investitionen werden als ‚zusätzlich‘ festgeschrieben und nicht zur Finanzierung bereits geplanter Projekte genutzt, um im nächsten Bundeshaushalt Platz zu schaffen für zweckfremde Wahlversprechen und Steuergeschenke.


To be continued am 18. März…




Veröffentlicht in Pflanzen, Klima, Politik am 14.03.2025 10:30 Uhr.

Paris, St. Pauli und das Stadtgrün

Verkehrswende in der Seine-Metropole: Mensch, hast Du Dich verändert!

Paris verändert sich seit 2014 mit der Verkehrswende rasant: Nur mit der sauberen Seine hat es noch nicht ganz geklappt. Im Bild: Schlammwasser mit Blick auf die Seine-Insel Ile de Saint-Louis  



17 Jahre nach meinem letzten Besuch in Paris sind die

Spuren, die der Politikwechsel nach dem Amtsantritt 2014 der Bürgermeisterin Anne Hidalgo in der ehrwürdigen Stadtstruktur bereits hinterlassen hat, unübersehbar – Stichwort Verkehrswende. Die Bewerbung der Stadt um die Austragung der Olympischen Spiele 2024 hat diese Entwicklung nochmals beschleunigt – wohlgemerkt in einer Stadt, in der Radfahrer bis zum Jahr 1982 auf ihren allerersten Radweg warten mussten!

 

Zahlreiche kleinere und vor allem enge Straßen wurden für den Durchgangsverkehr gesperrt und teilweise als Fußgänger- und Radverkehrszonen umgestaltet und teilentsiegelt, Fahrradrouten (wenn häufig auch als ziemlich schmale Streifen) vielfach zu Lasten von Fahrstreifen eingerichtet.


 

Umbau der Rue d'Orsel im 18. Arr.: Diese Straße war zwar auch schon 'vorher' eine beruhigte Straße - die nach dem Umbau jedoch teilentsiegelt ist. Für Baumpflanzungen wurde die Straßenbreite als nicht ausreichend eingeschätzt. Wermutstropfen: Das schöne Natursteinpflaster wurde nicht wiederverwendet


Die Seine-Ufer sind nun weitgehend autofrei und eine so prominente Straße wie die Rue de Rivoli, die im 1. Arrondissement entlang des Louvre und des Rathauses führt, musste zwei Spuren an den Radverkehr abgeben, der Pkw-Verkehr wurde auf eine Einbahn-Spur gestutzt. 


Viele Radfahrer sind auf diesen neuen Radfahrstreifen Anfang Januar und trotz Sonnenschein und -2 Grad nicht unterwegs – auf jeden Fall aber führen die Maßnahmen auch in dieser besucherschwächeren Winterzeit zu einem deutlich entspanntem Stadterleben zu Fuß.



Radfahrstreifen im 2-Richtungsverkehr, nur noch ein Fahrstreifen für den motorisierten Verkehr in der Rue de Rivoli im 1. Arr. in der Nähe des Louvre


Zu den Bausteinen der Verkehrswende zählen mit wenigen Ausnahmen Tempo 30 in der gesamten Stadt, Zufahrtsbeschränkungen für Fahrzeuge mit Verbrennermotor (Umweltzonen), die weitere Verzahnung des Nahverkehrs mit dem Umland sowie auch die drastische Erhöhung der Parkgebühren für schwere Pkw.

 

Daneben werden öffentlichkeitswirksam eher kleinräumige und für den Erholungswert in der Innenstadt wertvolle, jedoch vermutlich stadtökologisch insgesamt eher unbedeutsame Projekte wie der Umbau des Platzes vor dem Rathaus zum mittlerweile dritten innerstädtischem 'Stadtwald' (forêt urbaine)

realisiert. 


Der Vorplatz wurde jahrelang im Winter in eine Eislaufbahn vor imposanter Fassade des Hôtel de Ville verwandelt, dort wurden Sportveranstaltungen übertragen oder er diente als Konzertort (ja, genau dort, wo im Laufe der Jahrhunderte auch als seinerzeit Place de Grève schon mal öffentliche Hinrichtungen per Guillotine stattfanden).




Die Platzfläche vor dem Rathaus (im Rücken) vor dem Umbau: Hier wird ein Stadtwald aus 90 Bäumen entstehen


Bis 2025 soll für rd. 6 Mio Euro (!) dort auf 2.500 qm mit der Pflanzung von 90 Bäumen und 20.000 Sträuchern und Farnen ein Stadtwald entstehen als „Kampf gegen den Klimawandel“ und als Grün- und Erholungsraum. Neben einheimischen Baumarten wie Eichen und Hainbuchen sollen auch Arten aus dem Zukunftsbaumsortiment gepflanzt werden: Dazu zählen Celtis (Zürgelbaum) und Gleditsia (Lederhülsenbaum). Die Pflanzqualität ist mit „fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahre“ angegeben – die Wurzelsysteme seien für diese bereits größeren Bäume vorbereitet.

 

Dies sind vermutlich die genau Bäume, die Bernhard von Ehren, Chef der Baumschule Lorenz von Ehren, mit den fünf—und sechsmal verschulten Bäumen meint, die seine Baumschule nach Paris sendet.

 

Von Ehren spricht in der Ausgabe des Hamburger Abendblatts vom 10.01.2025 auf einer Doppelseite in der Rubrik Was wird aus Hamburg unter der Überschrift „Nur grüne Städte machen glücklich“ (stimmt!) und vertritt die Baumschullobby mit auch unserer Prämisse

 

„Bäume sind in der Zukunft kein Nice-to-have, sondern ein Must-have“.

 

In Deutschland pflanze man üblicherweise dreimal verschulte Bäume mit einem Stammumfang von 14 bis 20 cm. Diese Bäume im Alter von 8 bis 14 Jahren kosten 300 bis 800 Euro. „Anders als Hamburg pflanzen London oder Paris dabei ältere und größere Bäume. Dafür stehen dann fertige große Bäume in der Stadt, in der bald die erste Amsel in der Krone brütet“. Solche Pflanzungen werteten ganze Stadtteile auf. Ein großer Baum beginne bei ungefähr 1300 Euro.

 

Mit dem Stadtwald vor dem Hôtel de Ville in Paris verhält es sich ähnlich wie mit dem auch von von Ehren (= Lieferant) hochgelobten Umbau des Hochbunkers am Heiligengeistfeld – der Bunker auf St. Pauli sei ein großartiges Beispiel für einen ökologischen Stadtumbau.




Der begrünte Hochbunker im Stadtteil St. Pauli ist ein weiterer Touristenmagnet der Stadt Hamburg. Die Begrünung kann allerdings gerade nicht als großartiges Beispiel für einen ökologischen Stadtumbau dienen, da diese Art von Dachbegrünung angesichts des gewaltigen Aufwandes (jahrelange Vorkultivierung der Gehölze, Aufwand und Kosten in der Herstellung) und des außerordentlich aufwändigen Langzeitpflegebedürfnisses definitiv keinen Vorbildcharakter hat. Als Leistungsschau einer großen Baumschule ist die Begrünung bewundernswert.


Die Signalwirkung solcher Projekte ist nicht zu unterschätzen – der ökologische Wert sollte hingegen bitteschön nicht überschätzt werden. Der begrünte Hochbunker ist eine weitere Touristenattraktion für Hamburg, mit der wie selbstverständlich auch Geld verdient werden soll/ muss (Hotel, Restaurant, Bar, Eventhalle). Die ökologische Wirkung der unglaublich aufwändigen Dachbegrünung in 40 bis 60 m Höhe wird für den Stadtteil auf Bewohner-Normalnullhöhe gegen Null tendieren. 


Die Bunkerbegrünung zählt ganz eindeutig in die Kategorie „Nice to have“ - aber auch "teuer to unterhalt".

 

Die Abholzung von 49 alten, jedoch meist gesunden, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bunker das Heiligengeistfeld säumenden Bäume im Zuge einer Neuverpachtung der Fläche als Parkplatzerweiterung (!) durch die Finanz- und Wirtschaftsbehörde im Jahr 2023 wird das Bunkergrün niemals aufwiegen können – ebensowenig wie den Verlust des für die Wohnbevölkerung nutzbaren Stadtraums.

 

Wie aber verhält es sich bei Schwarzbrot-projekten abseits dieser sehr besonderen Projekte, bei denen auch hierzulande die seitens der Baumschule von Ehren (kraft Sortiment und Geschäftsausrichtung) sehr wohl diese „großen Bäume“ ausgeschrieben und gepflanzt werden?

 

Zumindest für das Beispiel Paris stelle ich unter Einschätzung des erreichten Standes der Technik von hiesiger Landschaftsarchitektur und Landschaftsbau (siehe den mittlerweile gewaltigen FLL-Publikations-kanon) mit Blick auf die Straßenbäume einen ausgesprochen erschreckenden Stand fest.

Denn auch auf einer privaten Städtereise lässt sich der berufsprofessionelle Blick leider nicht ganz ausschalten:

 

Paris hat in Sachen Stadtgrün aus meiner Sicht und anders als es bei von Ehren anklingt, viel Nachholbedarf


Das beginnt bei der üblichen Vollversiegelung von Fassade zu Fassade mit Asphalt, auf denen kleine, meist kreisrunde Baumscheiben ausgestochen sind, aus denen Bäume wachsen (müssen), die aber gleichzeitig, wenn sie nicht gerade durch lose, kippelnde, verkantete und mit Zigarrettenkippen und Hundesch***e vollgerfüllte Gussroste abgedeckt werden, als Teil der Gehwegfläche im wahrsten Sinne unmittelbar und unumgänglich ‚zugelatscht‘ (= verdichtet) werden.




Eine typische Gehwegfläche auf einer der Seine-Inseln, die statt wie sonst ganz überwiegend asphaltiert hier mit Natursteinplatten ausgeführt wurde: Die Fugen werden mit einer Mörtelmischung zugeschmiert, in die dann nachträglich Scheinfugen eingekratzt werden. Schade um das schöne Natursteinmaterial - und schade um die zwar geringe, aber doch vorhandene Versickerungsleistung von den hierzulande üblichen Sand-/ Brechsandfugen


Von Ansätzen einer ‚Schwammstadt‘ (ville éponge oder ville perméable, diese Bezeichnungen gibt’s tatsächlich auch im Französischen) scheint Paris meiner Einschätzung nach sehr viel weiter entfernt als eine Stadt wie Hamburg, die schon aus der Vergangenheit über mehr und größere Freiflächen verfügt. Gehwege sind hierzulande ganz überwiegend zumindest teildurchlässig mit Platten- und Pflasterflächen mit Sandfuge befestigt.

 

Bei den wenigen in der Pariser Innenstadt neu- und ersatzgepflanzten Bäume, an denen wir in vier Tagen vorbeigelaufen sind, handelt es sich mitnichten um die von Ehrenschen favorisierten „großen Bäumen“, in denen schon bald die Amsel brütet.




Baumersatzpflanzung auf dem Boulevard de Magenta: Ganz offensichtlich weder eine große Qualität noch ein Alleebaum-Kronenansatz. Aber an den Baumschutz wurde gedacht!



Baumersatzpflanzung 1. und 2. Versuch am Place d' Anvers:
Die noch junge Ersatzpflanzung im Bild links hat offenbar nicht überlebt: Stand Winter 2025 wurde (Bild rechts) neu gepflanzt und alle 'guten' Zutaten verwendet: Schlammboden, Zweibock mit Befestigungsstrip, mit dem sich wohl ein junges Rosenstämmchen sicher anbinden ließe, eine Gehölzqualität aus dem S-Kurvenquartier einer 'Baumschule' (Kronenansatz < 1,80 m) plus meine persönliche Lieblingszutat der Nutzlosigkeit, dem Drainschlauchschnorchel, der in Paris stets liebevoll an das Baumstämmchen geknotet wird. Für den Fußgängerverkehr bleiben beidseitig des Gießrandkraters vielleicht 60 cm befestigte Fläche. Viel Glück, kleiner Baum!


Bei den dort zu besichtigenden Neupflanzungen stellt sich schon die Frage, ob diese Gehölze überhaupt in einer Baumschule kultiviert wurden. Nach diesen Eindrücken bin ich mir sicher: Paris hat es leicht, von einem sehr schlechten Ausgangspunkt in Sachen Bäume aufzuholen.


Wir sind in Deutschland auf diesem Gebiet deutlich weiter und offensichtlich auch professioneller aufgestellt - und vielleicht es wird hierzulande mit den Qualitäten gelegentlich sogar zu weit getrieben (bitte nocheinmal kurz an die Schrabkwand mit den FLL-Ristlinien denken...). Dieser Eindruck lässt sich aus Paris mitnehmen, wo trotz offenkundigem Laissez-faire in Sachen Pflanzqualität entlang der Boulevards beachtliches Straßengrün gewachsen ist.



 

Straßenbäume in der Avenue Bosquet in der Nähe des Eifelturms: Interessante Gehölzqualitäten (siehe z.B. den neugepflanzten Baum am linken Bildrand) - trotzdem eine ausgewachsene Straßenbaumbegrünung



Zurücklehnen ist trotzdem keine Option – denn neben zusätzlicher Durchgrünung und Entsiegelung der Stadtlandschaft stellt sich hierzulande vor allem die Frage nach Erhalt und Pflege des wertvollen bestehenden Grüns und der damit verbundenen Kosten. Und hier wiederholen wir Bernhard von Ehren gerne:

 

„Bäume sind in der Zukunft kein Nice-to-have, sondern ein Must-have“




Veröffentlicht in Pflanzen, Klima, Politik am 10.01.2025 12:00 Uhr.

Alles Gute zum Ruhestand, Frau Eisen!

Nach 20 Jahren bei uns im Vertrieb ist es Zeit, tschüß zu sagen

Danke, Frau Eisen!

Prasselkuchen für die Kollegen, Blumen und vom Team ein Präsentkorb für die Ruheständlerin: Nach 20 Jahren verlässt uns ein echtes 'Verkaufsschlachtschiff' in Richtung wohlverdienter Ruhestand. Wir und vor allem unsere ostdeutschen (und da insbesondere sächsischen) Kunden werden Sie sehr vermissen, Frau Eisen:

Wir wünschen Ihnen alles Gute und vor allem Gesundheit für Ihren neuen Lebensabschnitt!


Veröffentlicht in BAumschule am 01.10.2024 9:00 Uhr.

Heuschnupfen-Bäume

Umgang mit allergenen Bäumen im öffentlichen Raum

Wer an das Klima in unseren Städten denkt, landet recht schnell bei den Wohlfahrtswirkungen des Stadtgrüns – und hier insbesondere der Stadtbäume.

 

Was sollen die Bäume nicht alles für uns tun:

  • Schatten spenden
  • Stadtklima kühlen
  • Kohlendioxid binden
  • Sauerstoff produzieren
  • Feinstaub binden
  • gestalterisch wirken
  • Insektenfreundlich sein
  • Vogelfreundlich sein
  • einen hohen Biodiversitätswert aufweisen
  • Vorgaben aus dem Naturschutz erfüllen (z.B. sei heimisch!)
  • Sich als Straßenbaum eignen (Lichtraumprofil, Art des Wurzelwerks)
  • Keinen ‚Dreck‘ machen
  • Vital bleiben trotz oftmals miserabler Standortbedingungen

 

Für das Übereinstimmungsspiel zur Eingrenzung in Frage kommender Arten für die jeweilige Pflanzaufgabe werden die Faktoren Eigenschaften x Standort gekreuzt.

 

Ein für zahlreiche Stadtmenschen für das eigene Wohlbefinden im täglichen Leben wichtiger Punkt kommt in dieser Matrix meist zu kurz:


  • kein allergenes Potenzial mitbringen





Die verstärkte Pflanzung von 

Taschentuchbäumen (Davidia involucrata) 

wird nur wenig Aufwiedersehenswirkung und Linderung für die Pollenbelastung während der Heuschnupfensaison bringen...



Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) hat sich in einer Veröffentlichung von 2015 gemeinsam mit dem Umweltbundesamt mit der Frage beschäftigt, wie Städte und Kommunen allergene Pflanzen im öffentlichen Raum reduzieren können, um diese weitere Eigenschaft für Stadtbäume zu fördern, nämlich die allergene Belastung durch Pflanzung bestimmter Bäume nicht noch zu verstärken.

 

Die Studie weist darauf hin, dass allergische Reaktionen durch die spezielle Situation im städtischen Raum mit einer teils hohen Konzentration an Ozon, Luftschadstoffen und Feinstaub verstärkt und heftiger auftreten.


Je nach untersuchtem Allergiepotenzial stufen die Autoren für das Beispiel Stadtraum Berlin Baumarten in zwei Kategorien ein:

 

Kategorie 1 listet Bäume auf, die nach Studienlage vordringlich nicht angepflanzt werden sollten.


In Kategorie 2 werden solche Bäume gestuft, die ‚nach Möglichkeit‘ nicht neu angepflanzt werden sollten.




Birken: Pollenschleuder der Kategorie 1: 

Im öffentlichen Raum vordringlich nicht mehr anpflanzen?



Neben den die Kategorie 1 bildenden bekannten Pollenschleudern Betula (Birke) und Corylus colurna (Baumhasel) tauchen in Kategorie 2 auch typische Straßenbaumarten wie Carpinus betulus (Hainbuche), Platanus x acerifolia (Platane) und die Gruppe der Eichen (Q. petraea, Q. robur, Q. rubra)  auf – allesamt windbestäubte Baumarten.

 

Schließlich listet eine Positivliste für das Beispiel Berlin aus allergologischer Sicht geeignete Baumgattungen und -arten zur Verwendung im Straßenraum auf. Alle Tabellen und Listen können hier in der Ursprungsveröffentlichung von 2015 nachgelesen werden.



Zieht man von dieser Liste diejenigen Baumarten ab, die sich aus anderen Gründen in der Pflanzenverwendung nicht als Straßen-Stadtbäume eignen (hier: Einstufung als ‚nicht geeignet‘ für Straßenbaumpflanzungen lt. GALK-Liste), so bleiben folgende der gelisteten Baumgattungen/ -arten der übrig:

 

  • Acer, Acer campestre, Acer platanoides , Acer rubrum
  • Magnolia kobus
  • Malus
  • Populus, Populus x canadensis, Populus nigra ‘Italica‘, Populus simonii
  • Prunus padus ‘Schloß Tiefurt‘
  • Pyrus calleryana ‘Chanticleer’
  • Sorbus, Sorbus aria, Sorbus intermedia
  • Tilia, Tilia Americana, Tilia cordata i.S., Tilia europaea i.S., Tilia tomentosa, Tilia x euchlora

 

Mit Blick auf das allergologische Auswahlkriterium für die Baumartenauswahl lässt sich somit festhalten, dass – zunächst unabhängig anderer Auswahlkriterien – die Gattungen Acer, Aesculus, Crataegus, Gleditsia, Magnolia, Malus, Populus, Prunus, Pyrus, Robinia, Sorbus, Tilia und Ulmus geeignet sind.

 

Bei Verknüpfung der Eigenschaft ‚allergologische Eignung‘ mit dem ebenfalls vieldiskutierten Attribut ‚insektenfreundlich‘ bleiben die typischerweise insektenbestäubten Baumarten übrig, oft erkennbar an ihren auffälligen Blüten.

 

Die urzeitgeschichtlich gegenüber vielen Insekten älteren Magnolien sowie die windbestäubten Populus fallen aus der vorgenannten Gruppe heraus (keine Nektarien), wobei Pappeln einerseits ein guter früher Pollenlieferant sind und heimische Pappelarten wichtiger Lebensraum für Käfer- und Schmetterlingsarten sind. 


Pappelpollen gelten trotz lokal großer Pollenmengen als eher schwach allergen. Die ‚Pappelwatte‘, die im Frühjahr teils in Massen fliegt, trägt den Samen der Pappel und löst keine allergischen Symptome aus.




Blatt und Fruchtstände von Alnus x spaethii: 

Notorischer Früh-Pollenverteiler




Ist die Prioisierung der allergologischen Eignung von Straßenbaumarten wirklich sinnvoll? Oder spielt diese Eigenschaft womöglich nur bei speziellen Pflanzsituationen eine entscheidende Rolle?

 

Gerade mit Blick auf die Diskussion um Zukunftsbäume für die Stadt, die womöglich damit verbundene Einengung der Artenauswahlmöglichkeiten sowie mit Blick auf die Biodiversität und vielfältigen Standortvoraussetzungen lässt sich eine solche Verengung auf nur wenige Arten im Grunde genommen nicht rechtfertigen. Die durch Pollenflug zunehmend heftigeren allergischen Reaktionen sind auch Folge der sich insgesamt verschlechternden Luftqualität – zu deren Verbesserung Bäume in der Stadt ja gerade beitragen sollen.

 

Hinzu kommt der überwältigende Baumbestand an Straßenbäumen und - vor allem- die noch viel größere Zahl an Gehölzen auf Privatgrund. Die Pollenlast, die aus diesen Grünstrukturen stammt, wird strukturell durch Windverwehung immer für eine hohe Grundlast sorgen – fast egal, welche Straßenbaumart nachgepflanzt wird.

 

Die Deutsche Straßenamtsleiterkonferenz (GALK), ein Zusammenschluss der kommunalen Grünflächenverwaltungen, hat sich 2012 in einem Positionspapier zu diesem Spannungsfeld geäußert:



"Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass Allergien weit verbreitet sind und von einer Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen ausgehen. Würde somit jedem Allergiker gegenüber seinem Nachbarn ein Anspruch auf Beseitigung der Allergie auslösenden Bepflanzung in seiner näheren Umgebung zugestanden, so würde hiermit den Interessen der Allgemeinheit zuwidergelaufen. (…) Ein Allergiker kann nicht erwarten, dass grundsätzlich seine überdurchschnittliche Empfindlichkeit zum Maßstab für die zulässige Nutzung einer Gegend allgemein gemacht wird. (…)


Abschließend ist zu betonen, dass die Bäume selbst nicht das Problem bilden, sondern diese nur auf Umwelteinflüsse reagieren, indem sie mehr Pollen mit aggressiveren Proteinen bilden. Ein Ansatzpunkt wäre daher, die Standortbedingungen für die Bäume zu verbessern. Ferner bildet die steigende Empfindlichkeit der Menschen gegenüber Allergien ein Problem, für das Gegenstrategien zu entwickeln sind."

aus: Positionspapier Pollenallergien, GALK - Arbeitskreis Stadtbäume, November 2012



Die Wegwägung der Verwendung bestimmter Baumarten aufgrund ihrer bekannten allergologischen Wirkung könnte womöglich mit Blick auf besonders früh bzw. spät blühende Arten sinnvoll sein, um die Heuschnupfensaison nicht unnötig zu verlängern.

 

Hier lassen sich vor allem zwei Baumarten identifizieren, die auch Teil des Zukunftsbaumsortiments sind: Alnus x spaethii (Purpur-Erle) sowie Corylus colurna (Baum-Hasel). Beide Baumarten lassen die Pollenflugsaison je nach Witterung bereits Ende November beginnen.

 

Generell trägt jede Baumpflanzung in der Stadt durch ihre Wohlfahrtswirkungen dazu bei, Kleinklima und Luftqualität für alle Menschen in der Stadt zu verbessern – und damit auch für Heuschnupfengeplagte.





Veröffentlicht in Pflanzen, Planung, Pflanzenverwendung am 13.09.2024 11:00 Uhr.

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Inh.: Bettina Stoldt, Dipl.-Ing. agr. (FH)

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