Vegetation, Boden, Schädlinge: Was der Winter so alles kann

Der Winter 2023/24 hat nach langer Zeit mal wieder echte Winterqualitäten – mit regelmäßigen Schneeperioden seit Anfang Dezember, Dauerfrost über Tage mit teils strengem Nachtfrost – und sich mit kurzen Tauperioden abwechselt. Ist das gut für die Vegetation und vielleicht schlecht für Schädlinge?



Mögen Sie Winter? Also nicht den, den wir die letzten Jahre hatten und der genauso gut ‚ewiger November‘ hätte heißen können und sich in erster Linie durch umso ärgerlichere Spätfröste Ende März/ Anfang April in Erinnerung ruft. 


Ein Winter mit Frosttemperaturen kommt der Vegetation zugute:

 

Bodenfrost ist zunächst einmal für die Bodenstruktur nützlich: Nicht umsonst ist eine Binsenweisheit des Landschaftsbaus gegenüber Privatkunden, die besorgt die Pfützenbildung auf ihrem frisch angelegten Rasen ansprechen: „Da muss erst mal der Winter drüber gehen.“ 


Denn nach dem Baubetrieb (oder der maschinellen Bodenbearbeitung in Baumschule oder Landwirtschaft) und der damit einhergehenden Bodenverdichtung mangelt es an luftgefüllten Bodenkapillaren.

 

Frost verbessert die Bodenstruktur durch physikalischen Vorgang: Durch in den Boden eindringenden Frost gefriert das Bodenwasser in den wasserführenden Kapillaren. Gefrierendes Wasser dehnt sich aus und vergrößert so die Kapillare, sprengt größere Bodenklumpen und führt so zu feinkrümeligerem, durchlässigerem Boden: Der Bodenluftanteil steigt.





Vielen laufabwerfenden Bäume in Containern bzw. Pflanzsäcken macht Frost i.d.R. nichts aus: Vegetationsruhe! Nur die Container bestimmer empfindlicher Baumarten werden wie im Bild

mittels Noppenfolie zusätzlich geschützt



Schädlinge und Frost

 

Während sich bei standortgerechter Pflanzen-verwendung niemand über Frostschäden an der Vegetation ernsthaft Sorgen muss, nährt strenger Frost (am besten: Kahlfrost) die Hoffnung auf Schäden an Schädlingen. 

 

Spoiler: Leider hat selbst strenger Frost hier i.d.R. wenig oder keinen Effekt. 


Die wechselwarmen, heimischen Insekten haben sich evolutionär an tiefe Temperaturen angepasst. Sie wechseln für den Arterhalt und die (spätere) Vermehrung in ein frostunempfindliches Über-winterungsstadium auf (z.B. in Eiern oder in geschützten Kokons). Lebendig überdauernde Insekten suchen geschützte Überwinterungsplätze auf. 

 

Doch wie verhält es sich mit den Überlebenskünsten mit den als Folgen globaler Vernetzung und Erderwärmung auch nach Norddeutschland eingeschleppten Schädlinge wie die gärtnerischen Erzfeinde Buchsbaumzünsler, Eichen-Prozessionsspinner oder Kastanienminiermotte? 

Besteht hier Hoffnung auf eine Dezimierung der Schädlingslast durch Frost?

 

Für Eier und bereits verpuppte Raupen des Buchsbaumzünslers als Überwinterungsstadien wird lang anhaltender Kahlfrost von -10°C als kritische Überlebenstemperatur angesehen. Lediglich bereits geschlüpfte Raupen sterben bei Frost rasch ab. 


Für den immergrünen Buchsbaum wird eine solche Wetterlage bei gleichzeitigem Sonnenschein für den Buchsbaum rasch selbst zur Gefahr: Die Blätter tauen bei Sonnenschein auf und werden zur Transpiration angeregt. Da der Wassernachschub aus dem noch gefrorenen Boden fehlt, vertrocknen die Blätter. Verstärkt wird dieser Frosttrocknis-Effekt durch trockene (Ost-)Winde.

 

Die Kastanienminiermotte überwintert im Puppenstadium in den Minen des Falllaubes und überlebet auch Temperaturen von -20°C, die Eier des Eichen-Prozessionsspinners ertragen ebenfalls große Minusgrade. Eine Dezimierung der Folgegeneration ist bei diesen Schädlingen allenfalls zu erwarten, wenn über eine längere Zeit mit Frosttemperaturen von -10°C bereits Raupen geschlüpft sind. 

 

Zäh sind auch Zecken, die im Laubstreu in Winterstarre überwintern, sich besonders über eine isolierende Schneedecke freuen und bei Temperaturen von über 7°C über mehrere Tage hinweg schon wieder erwachen (oder – wie in den milden ‚November-Wintern‘ – gar nicht erst in Winterstarre fallen).

 

In Sachen Schädlingsdezimierung hilft eher ein nasser Frühling, der Insekten anfällig für den Befall mit Pilzen, Bakterien oder Viren macht (die wiederum leider nicht zwischen Schädlingen und Nützlingen unterscheiden…).





Winterruhe herrscht in der Baumschule nur zwischen den Jahren: Zahlreiche Kulturarbeiten wie der Jungbaumschnitt sind typische Winterarbeiten



„Ist der Winter warm, wird der Bauer arm.“


Frostige Wintertemperaturen sind jedoch auch für die Entwicklung mancher Pflanzen wichtig. So sind Minusgrade als Wachstumsimpuls für Wintergetreide erforderlich. 



Frühlingsblühende Zwiebelblüher benötigen für ihre biologische Uhr Winterfrost für den Austrieb. Außerdem gibt es die Gruppe der Frostkeimer, deren Samen den Kälteimpuls für die Aktivierung eines Hormons zur Beendigung der Samenruhe benötigen.

 

Insofern: Soll man den Januar loben, muss er frieren und toben! 





Veröffentlicht in Pflanzung, und, Pflege am 19.01.2024 9:59 Uhr.

Lass die Natur mal machen

Gerade haben wir unsere 5-teilige Blog-Serie zum Thema ‚Was die meiste Gartenarbeit verursacht‘ abgeschlossen, da erregte im Frühjahr 2023 die Kampagne ‚Lass die Natur mal machen‘ einer großen Baumarktkette die Aufmerksamkeit aller nach Pflegeleichtigkeit-im-Garten-Suchenden.

‚Lass die Natur mal machen. Und Du wirst staunen, was Dein Garten alles kann.“

 

„Klar gibt es immer was zu tun. Aber das meiste davon macht Dein Garten von ganz alleine. Also lass ihn frei. Lass alle Deine Pflanzen Wurzeln schlagen. Lass sie wachse. Lass sie wuchern. Denn Unkraut ist nur eine Frage der Sichtweise.“

 

Was hat es damit auf sich – und könnte das nicht doch ein verheißungsvoller Ansatz für den nebenbei klimaresilienten Garten der Gegenwart und Zukunft sein?

 

Auf der Webseite steht ein nackter Mann in einer Königs-Farnfläche, aus der heraus es sogar blüht (herrlich: Agapanthus!). Im Werbevideo zerstäuben Saatgutbomben und Fruchtstände, propellert Spitz-Ahorn-Saat, tost ein Wildbach durch den Garten – und am Ende poppen Klatsch-Mohn, Distelknospe und Cosmea-Blüten auf. 

 



Wenn die Propeller gelandet sind - 

dann wächst der Spitz-Ahorn



Visuell ist das definitiv ein Augenschmaus -  und mit einer markanten weiblichen ‚Cybercops erobern-New-York'-Stimme unterlegt ist die Kampagne auf jeden Fall ein ‚kommunikativer Paukenschlag‘ (eigene Aussage).

 

Ist es denn mehr als ein Werbeversprechen mit dem Ziel, die Marke zu 'emotionalisieren, sichtbarer zu machen'

 

Könnte vielleicht an die Stelle des ewigen Herum-gärtnerns, der Suche nach grünen Damen, ganz einfach als Paradigmenwechsel im Garten die neue Parole treten 

 

Befreit das Unkraut vom Garten!

 




Nix tun im Garten: Verwahrlosung vom Typ 

Ackerkratzdistel statt poetisch-romatische 

Verwilderung



Jens Jessen, Redakteur bei der Zeit, kürzt die Idee des ‚Seinlassens‘ im Garten im Rahmen der ZEIT-Aktion ‚ 1m2 für eine grünere Welt‘ auf die Realität im Garten herunter, denn ein „Garten habe kein Leben ohne Gärtner“ – oder so: 


„Anstrengungslos zu haben ist nur die Wiese, die schon im Sommer verdorrt, von einem Heer staubiger Brennnesseln umgeben, die es im Schatten kahler Fliederbüsche oder der alles Leben zu ihren Füßen erstickenden Rhododendren aushalten. Und sogar diese Fliederbüsche, die sich ungeschnitten in nacktes Stangenholz verwandeln, und die Rhododendren, die auf den sauren Böden des Nordens ungehemmt wuchern, müssen irgendwann von irgendjemandem gepflanzt worden sein. Selbst die Wildblütenwiese entstand selten spontan. 


Das sich selbst überlassene Grün, das Schwärmer für ökologisch halten, war kein Geschenk von Mutter Natur, sondern auch einmal ein Garten, ein jetzt allerdings verwahrloster. Vielleicht sind ihm Jahre romantischer Verwilderung vorausgegangen – es gibt solche poetischen Übergangsphasen –, aber jetzt ist er ein Sozialfall. […] Am Garten zeigt sich der Unterschied von Naturschwärmerei und Naturkenntnis. Illusionär ist die Vorstellung, die Pflanzenwelt könne sich immer und unter allen Umständen selber helfen und heilen. In Wahrheit braucht sie gewaltige Flächen und sehr viel Zeit, um so etwas wie Vielfalt und Gleichgewicht aus sich heraus hervorzubringen.“





Zustand eines Vorgartens in der zweiten Vegetationsperiode ohne Pflege: ‚Sozialfall‘



Diese pessimistische Sichtweise, dass auch im Hausgarten stets mit feldwebel:innenhafter Ordnung zu gärtnern ist, damit die Fläche überhaupt ‚Garten‘ genannt werden darf, teilen wir nicht so ganz. 


Der Wunsch nach Ordnung im Garten (und den großen Geschwistern Unveränderung und Erstarrung) kollidiert grundsätzlich mit einem Gartenbegriff, der einen Garten als einen sich sowohl jahreszeitlich wie im Laufe eines Gartenlebens ständig im Wandel begriffenen Lebensraum für Pflanzen und Tiere und, ja, auch Menschen begreift.

 


Aufwand als Merkmal des Schönen?


Das Maß des gärtnerischen Aufwand eignet sich eher nicht als Formel eines gelungenen Gartens: 


Der vorzugsweise während Schönwetterperioden am Wochenende lärmende Maschineneinsatz in unserer EFH-mit-Garten-Nachbarschaft hat aus meiner Beobachtung eher zu keiner nennenswerten Steigerung der Gartenqualitäten im Sinne der schweißtreibenden Formel ‚Aufwand als Merkmal des Schönen‘ geführt. 

 




Traum von einer Wildkräuterfläche aus heimischen Blühpflanzen ohne weiteres Zutun: 

Ohne geeignete Bodenvorbereitung 

in der Regel zwecklos





Ruderaler Blühaspekt auf einer nährstoffarmen Rohbodenfläche: Im Detail herrlich …






… in der Totalen nach gartenästhetischen 

Maßstäben doch eher vertrocknet?



In unserem Garten gibt es eine etwa 20 m2 große Ecke hinter unserem Gewächshaus, in der ich die Natur ‚machen lasse‘ – und staune, wie sich im Schatten einer bestimmt 3 Meter hohen Kirschlorbeerhecke des Nachbarn Brennessel, Brombeere und vor allem die vom Eichhörnchen versteckten Wal- und Haselnüsse wachsen. 

 

Beispiel No Mow May, ein Anstoß zu mehr Vielfalt auf Rasenflächen durch Unterlassen:

 

„Mit etwas Faulenzen der Natur Gutes tun und den Insekten helfen – der Trend zum "lazy gardening" trifft vor allem bei jüngeren Generationen einen Nerv.“ (GEO)

 



 

No Mow May und im June sogar not too: 

Wo bleiben die Blumen!



Rasen einfach mal wachsen lassen und von Blumenwiesen träumen – die dann doch nur aus überlangen Gräsern (kein Nektar, bald Heu), manchmal Gänseblümchen, Günsel oder Herbst-Löwenzahn bestehen. Diese Blütepflanzen zeigen sich bald vor allem dann, wenn es sich schon vorher – wie Bepflanzungs-planer und Staudenfachmann Jörg Pfenningschmidt es treffend für die Mehrzahl der Rasenflächen ausdrückt – um eine Krautwiese mit Solitärgräser gehandelt hat.

 

Wiesen-Löwenzahn kommt immer, ist eine nektar- und pollenreiche Wildstaude plus Honigtauquelle, was zwar zu einer perfekten Bienenweide macht, aber in kritischen Augen der Rasenreinkultur-Fundamentalisten auch zum Rasenunkraut Nr. 1. 

 

Schlimmer noch: Dr. Hans-Joachim Schulz, langjähriger Sachverständiger u.a. für Wertermittlung von Frei-anlagen, Gärten und Parks und Dozent an der FH Osnabrück sprach im Zusammenhang vom Rasen nur vom ‚grünen Leichentuch für Bäume‘.


 

Let's face it: Aus einem jahre-, oft jahrzehntelang kurz geschorenem, gedüngtem und vielleicht sogar vertikutiertem (und trotzdem früher oder später total verfilztem) grünen Leichentuch wird allein durch Einstellung aller gärtnerischer Bemühungen in überschaubaren Zeiträumen keine bunt blühende Wildblumenwiese auferstehen. 

 


Geo.de empfiehlt: „Wem eine große Fläche ungemähter Rasen zu unordentlich erscheint, kann zumindest einen Teil ungemäht stehen lassen. Einzelne "wilde Ecken" oder eine ungemähte Stelle inmitten des gepflegten Rasens ist für Insekten und andere Tiere bereits eine große Hilfe.“






Reizvoll: Kontrast gemähter - ungemähter Rasen

 

Und das hr-Fernsehen gibt passend zum Langgrasschnitt nach Ende des No Mow-May-Zeitraums sogar einen Sensenkursus  (abrufbar in der Mediathek!

 

Bei unserer Krautwiese mit Solitärgräsern mache ich im Zusammenhang mit Nicht-Mähen und Stehen-Lassen eine andere Beobachtung: Interessant für Insekten sind nicht die in diesem Jahr (jetzt haben wir bald Mitte Juli) immer noch nicht gemähten und nach der Trocken-periode im Juni mittlerweile teils heuartigen Langgrasflächen. 


Interessant für Insekten sind die (auch meinem fehlenden Rasen-Ehrgeiz geschuldeten) mit etwa 14 bis 28 Tagen etwas weiter gesteckten Mahd-Intervalle des Scherrasens. Hier haben sich an regelmäßigen, aber weniger häufigen Schnitt angepasste Blühpflanzen etabliert. 





'Rasenunkräuter' aus Gruppe der 

Hemikrytophyten: Aber sie blühen!



Dazu zählen neben dem von Rasenfans gefürchteten Weißklee (Trifolium repens, Blüten werden aufgrund des Nektars gerne von Insekten besucht) auch Gewöhnlicher Hornklee (Lotus corniculatus, echter Bienenhit!), Kleine Braunelle (Prunella vulgaris) und natürlich das Gänseblümchen (Bellis perennis), das fürs Gedeihen sogar auf regelmäßigen Rasenschnitt angewiesen ist. 


Alle diese Blühpflanzen zählen zur Gruppe der sogenannten Hemikryptophyten – sind also Pflanzen, deren Überdauerungsorgane nah an der Erdoberfläche liegen und die dadurch auch regelmäßigen Rasenschnitt überleben . Der Wiesen- und der Herbst-Löwenzahn zählen ebenso dazu – beide kommen in unserem Rasen (natürlich!) auch vor. Freuen würde ich mich auch über die in Rasenflächen auftauchenden Kräutern Weg-Malve (Malva neglecta) und Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium), die ebenfalls in nicht ganz so streng gepflegten Flächen auftauchen können.

 




Gemeine Schafgarbe am Rand einer Rasenfläche



Jetzt aber wünschen wir einen schönen Sommer - wenn der noch einmal ordentlich heiß wird, hat es sich mit der Rasenmahd eh' ersteinmal erledigt... (denn Sie wässern ihren Rasen doch hoffentlich nicht, oder?)



 

Veröffentlicht in Pflege am 07.07.2023 13:15 Uhr.

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Inh.: Bettina Stoldt, Dipl.-Ing. agr. (FH)

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