Neue Bäume braucht das Land Neue Bäume braucht das Land ?
In der aktuellen Ausgabe Nr. 43/ 2020 des ‚Spiegel‘ wird unter der Überschrift ‚Neue Bäume braucht das Land‘ die Suche nach nicht heimischen Baumarten thematisiert: Baumarten, die in den Städten die Folgen der Klimaveränderung besser verkraften.
Den gesamten Artikel können Sie hier nachlesen (hinter der Bezahlschranke).
Gleich der erste Absatz zeigt das Dilemma, wenn dort eine „todkranke Linde“ beschrieben wird – „vom Straßenverkehr gepeinigt, vom Streusalz vergiftet, von der Sonne verbrannt“.
Doch nicht die Sonne, sondern die Trockenheit als Folge von Klimaveränderungen ist ursächlich und die zusätzliche und entscheidende Herausforderung für Bäume in der Stadt.
Baulich eingeschränkte/ zu kleine Wurzelräume, falsche Substrate, Bodenverdichtung und im Schlepptau erheblich gestörte Bodenluft- und Bodenwasserhaushalte, dazu Streusalzbelastung an Straßen – das waren schon immer unmittelbar menschengemachte Planungs- und Ausführungsfehler bei Gehölzpflanzungen in der Stadt.
Im Artikel des SPIEGEL wird richtig festgestellt: Die Folgen des Klimawandels kommen zu den vorbeschriebenen Problemen ‚on Top‘, so dass bereits vorgeschädigte Stadtbäume durch Krankheiten und Trockenheit endgültig zugrunde gehen.
So bescheinigt auch der Arbeitskreis Stadtbäume bei der GALK (Gartenamtskonferenz) in seinem Positionspapier „Konsequenzen der Klimaextreme“ den innerstädtischen Straßenbäumen „zunehmend erhebliche Stresssituationen“.
Die Feststellung im SPIEGEL, dass „vor allem Bäume, die hierzulande heimisch sind“ weichen müssten „wie Berg-Ahorn und Sommer-Linde, aber auch viele Birken und Buchen“ lässt aufhorchen:
Die genannten Baumarten sind zwar heimische Baumarten, zählten aber ganz sicher noch nie zur Gruppe geeigneter Stadtbaumarten!
Derartige ‚Problembaumbaumarten‘ in der Stadt haben ihren Ursprung in fehlerhaften Planungen – deren fehlende Eignung für Pflanzplätze im städtischen (Straßen-) Raum auch schon vor über 30 Jahren bekannt war:
Acer pseudoplatanus (Berg-Ahorn):
Waldbaumart, empfindlich gegenüber Luftverschmutzung, hitzeempfindlich
Betula pendula (Sand-Birke):
nur erfolgversprechend in nicht versiegelten Flächen (vgl. flach streichendes Hauptseitenwurzelwerk)
Fagus sylvatica (Rot-Buche):
Waldbaumart (Halbschatten-/ Schattenbaumart), hitzeempfindlich, empfindlich gegenüber Luft- und Bodenverschmutzung, außerordentlich empfindlich bei Bodenverdichtung und Störung des Wurzelraumes
Tilia platyphyllos (Sommer-Linde):
Waldbaumart (Halbschattenbaumart), reagiert empfindlich auf Luft- und Bodentrockenheit, empfindlich bei Luftverschmutzung, streusalzempfindlich
Im Fachartikel „Stadtbäume der Zukunft“ (Deutsche Baumschule, Ausgabe Oktober 2020) wird vom Besuch des Hamburger Ersten Bürgermeisters Dr. Peter Tschentscher in der Baumschule Lorenz von Ehren berichtet.
Der Empfehlung von Bernhard von Ehren, auf einen
„Mix aus heimischen und fremdländischen Gehölzen, die mit extremen Klimabedingungen wie Trockenheit, Starkregen- oder Starkwindereignissen zurechtkommen“
zu setzen, und der Feststellung,
„für jeden Standort gibt es einen geeigneten Baum“
stimmen wir uneingeschränkt zu. Für Bäume, die in der Zukunft jenseits heute noch dominierender Straßenbaumarten wie Quercus robur, Tilia cordata i.S. und Acer plataniodes i.S. die Stadt ‚ertragen‘ sollen, werben Baumschulen mittlerweile mit Labeln wie ‚Zukunftsbäume‘ oder ‚Klimabäume‘
Die Pflanzung eines ‚Klimabaumhaines‘ im Baumschulquartier der Baumschule von Ehren trägt lobenswert zur Aufklärung bei Pflanzenverwendern bei. Unbekanntere Arten und Sorten können so bequem nebeneinander in Augenschein genommen werden. Deren Bekanntheitsgrad lässt auf diese Weise steigern – der Markt für diese Baumarten kann so erweitert werden.
Andererseits herrschen in einem Baumschulquartier – selbst bei Verzicht auf jedwede Kulturmaßnahmen - eben keine Bedingungen wie in der Stadt. Wurzelraum und Kleinklima sind nicht mit den teils extremen Bedingungen im Stadtraum vergleichbar und ein Monitoring zumindest in Hinblick auf die Verwendbarkeit von Baumarten im städtischen Bereich sinnlos.
Einen aus unserer Sicht lobenswerten Ansatz verfolgt die LWG, die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, unter dem Projektnamen Stadtgrün 2021‘
In einem Langzeitversuch testet die LWG seit 2009/ 2010 sowie 2015 an drei bayerischen Standorten Baumarten in der Stadt mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Ergebnisse sollen bis 2021 abschließend geprüft und bewertet werden.
Einen guten Zwischenstand und Kurzvorstellung der untersuchten Baumarten finden sich in einem handlichen Flyer der LWG (4. Auflage von 2023)
Wünschenswert sind mehr derartige Forschungsvorhaben für weitere klimatische Regionen in ganz Deutschland.
Erschwert wird die Planung geeigneter Gehölze in der Stadt nach wie vor von Amts wegen: noch immer wird von den kommunalen Unteren Naturschutzbehörden mit Listen ‚heimischer Gehölze‘ für Ersatzpflanzungen operiert, in denen das Prädikat ‚heimisch‘ offenbar sämtliche weitere Anforderungen an ein Gehölz an einem bestimmten Standort zudeckt.
So sehen solche verpflichtenden Gehölzartenlisten aus Grünflächenämtern und Unteren Naturschutzbehörden oft leider noch aus:
Beispiel einer verpflichtenden Artenliste für die Herstellung von Ersatzbepflanzungen mit ‚bodenständigen‘ Bäumen in einer nicht ganz kleinen Kommune in Nordrhein-Westfalen – hier war offensichtlich ein Bearbeiter mit einem Faible für alte Obstsorten mit der Erstellung der Artenliste betraut
Der Gärtner, Kolumnist und Gartenbuchautor Jörg Pfenningschmidt pointiert dieses Dilemma in seiner (leider eingestellten) Kolumne in der Gartenpraxis 09/2015:
„Abgelehnt ! Die von uns vorgeschlagene Stinkesche (Euodia hupehensis) ist als Ersatzpflanzung abgelehnt. Denn sie ist nicht einheimisch, sagt das Amt. (…) Ich dürfte zum Beispiel gerne eine einheimische Zirbel-Kiefer (Pinus cembra) pflanzen. Die kommt zwar aus den montanen und subalpinen Höhenlagen der Alpen und ist hier in Hamburg-Blankenese so heimisch wie eine Gams im Wattenmeer. Aber egal, Lebensbereich hin oder her, Hauptsache die Pflanze orientiert sich an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland. Denn es geht der Behörde ja um Stärkung der einheimischen Flora. Und da fängt man am besten beim privaten Gartenbesitzer an. Der bekommt die ehrenvolle Aufgabe, mit der einheimischen Flora und Fauna auch die Welt zu retten.“
Immerhin: Bei einigen Kommunen lassen sich Änderungen an der Nur-heimische-Gehölze-sind-gute-und-geeignete-Gehölze-Praxis beobachten:
So darf in Hannover, einer Stadt mit einer ehemals sehr restriktiven Liste nun mit der neuen Liste des Fachbereichs Umwelt und Stadtgrün von 2016 eine Auswahl „von nichtheimischen Gehölzarten und -sorten mit gestalterischer und ökologischer Bedeutung“ als Ersatz gepflanzt werden.
Allerdings soll bei der Pflanzung in Gärten ein Anteil von maximal 30 % nicht überschritten werden … Und nochmals allerdings: Von den ‚neuen Bäumen‘, die beispielsweise von der LWG untersucht werden, ist in dieser Liste keine einzige Baumart zu finden.
In die Liste „standortgerechter Ersatzbäume“ der Stadt München haben es dagegen schon einige ‚neue‘ Baumarten geschafft – die Art des standortgerechten Ersatzbaumes bestimmt der Antragssteller, die UNB gibt jedoch Empfehlungen für bestimmte Baumarten ab: So finden sich neben Liquidambar styraciflua und Fraxinus ornus auch Fraxinus pennsylvanica ‘Summit‘, Ostrya carpinifolia, Carya ovata (Schuppenrinden-Hickory), Sophora japonica oder Quercus cerris.
Fraxinus ornus 'Obelisk' bei uns im Freiland
Liquidambar styraciflua - mittlerweile etabliert im Sortiment und stark nachgefragt
Forschungsvorhaben wie von der LWG sollten aus Sicht der Baumschulen im Verbund und im Austausch mit den Baumschulen stattfinden. Die ‚neuen‘ Bäume, die künftig verstärkt in der Stadt gepflanzt werden sollen, müssen zunächst in den Baumschulen in ausreichender Stückzahl und in geeigneter Qualität kultiviert werden.
Die Bäume aus den Aufschulplanungen von heute und damit die Entscheidungen für bestimmte Baumarten können erst nach Jahren der Kultur als Straßen- oder Stadtbäume verkauft werden. Viele Baumschulen bewerben ‚neue Bäume‘ mit vielversprechenden Labeln wie ‚Klimabäume‘ oder ‚Zukunftsbäume‘. Ohne eine evaluierende Forschung wie von der LWG bleiben diese Bezeichnungen aus unserer Sicht nur ein Werbelabel.
Auch in unseren Quartieren wachsen seit einiger Zeit neben bereits bekannten und etablierten Baumarten wie Fraxinus ornus, Liquidambar styraciflua oder Tilia tomentosa ‘Brabant‘ auch Parrotia persica ‘Vanessa‘ und Zelkova serrata ‘Green Vase‘.
Parrotia persica 'Vanessa' als Hochstamm
Quercus frainetto - die Ungarische Eiche mit dem wohl schönsten Laub aller Eichen, eine vielversprechende Baumart für die Verwendung in unseren Städten - von der Sorte 'Trump' raten wir allerdings nicht nur aufgrund der Namensverwandtschaft ab
Zelkova serrata 'Green Vase' - eine ostasiatische Baumart, raschwüchsig und als Sorte 'Green Vase' mit breit-trichterartigem Habitus als Straßenbaum schwer aufzuasten - die Art Z. serrata hat einen lockereren Habitus mit weit ausladenden Hauptästen; wird in Japan verbreitet als Straßenbaumart eingesetzt
Seitens ungeduldiger Pflanzenverwender wünschen wir uns als Baumschule mehr Kommunikation, um Enttäuschungen zu vermeiden, wenn am Markt nicht verfügbare Mengen exotischer ‚neuer‘ Baumarten in hohen Stückzahlen ausgeschrieben werden, von denen der Verwender ‚mal irgendwo‘ gelesen hat. Ohne Rücksprache mit der Baumschule werden so immer wieder Stückzahlen und Qualitäten rein nach wohlfeilem Katalog-Steckbrief ausgeschrieben.
Sollen diese Gehölze dann auch noch ausgebunden werden, blicken wir oft in große traurige Augen – denn für bestimmte Arten muss dann nach Italien oder Holland gereist werden – obwohl die ausschreibende Stelle doch ausdrücklich ‚norddeutsche Provenienz‘ in seinen Vorbemerkungen verlangt hatte.
Liebe Pflanzenverwender, nicht (nur) neue Bäume braucht das Land, sondern noch auch Baumarten des alten Sortiments, die sich aus unserer Sicht am geeigneten Standort noch immer erfolgversprechend verwenden lassen.
Bäume sind keine Stadtmöbel: Pflanzenverwender müssen zu Gunsten der überlebensnotwendigen Standorteignung von einer aus unserer Sicht oftmals sehr überwiegend rein gestalterisch motivierten Gehölzauswahl wegkommen.
Umso wichtiger ist, dass für Baumpflanzungen in der Stadt eine sorgfältige Planung und Optimierung der Standortbedingungen erfolgt und – so sieht es auch die GALK – dem Erhalt etablierter Bestandsbäume höchsten Stellenwert eingeräumt wird.
Der erste Schritt für jede funktionsfähige Neupflanzung sollte die Würdigung der Standortbedingungen bei der Artenauswahl und das Abstellen zahlreicher hausgemachter Ursachen nicht funktionierender Baumpflanzungen in der Stadt sein – nämlich die sehr wohl beeinflussbaren Faktoren diesseits der Folgen der Klimaveränderung !
Veröffentlicht in Pflanzenverwendung am 28.10.2020 8:57 Uhr.