Efeu am Baum: Freund oder Feind ?

Efeu (Hedera helix) an alten Bäumen - das ist keine Seltenheit. Efeu ist sogar an abgestorbenen Stämmen zu sehen -  oder ist gar der Efeu am Baumtod schuld ?



Gekappt am Stammfuß: Es bleibt vertrocknetes Geflecht am Baum - aber der Efeu gibt nicht auf ...

Efeu ist ein immergrünes Klettergehölz, das mittels Haftwurzeln 20 bis 30 m hoch klettert. Neben den Haft- oder auch Luftwurzeln verfügt das Gehölz über Nährwurzeln. Diese beiden Wurzeltypen sind arbeitsteilig organisiert: Die Haftwurzeln klettern, die im Boden wurzelnden Nährwurzeln stellen die Wasser- und Nährstoffversorgung sicher.

Interessant ist, dass Efeu-Sämlinge von Anfang an klettern. Bei den Trieben großer Exemplare aus der Baumschulkultur muß in der Regel nachgeholfen werden - sie müssen geheftet, eingeflochten oder angebunden werden, denn die Pflanzen beginnen ihre Klettertour mit frischen Trieben vom Boden aus.

Immer wieder ist zu beobachten, dass alte Efeupflanzen, die vor Jahrzehnten hoch und breit in große und alte Bäume geklettert sind, am Stammfuß gekappt werden (siehe obenstehendes Bild). Der Efeu vertrocknet anschließend in der Baumkrone. Die Triebe bleiben dauerhaft als unschöne Triebskelette am Baum haften.

Der BUND (Kreisgruppe Hannover) ist der Frage nachgegangen, ob Efeu ein freundlicher Klettermaxe oder ein fieser Baumkiller ist und daher derartige Kappungen vielleicht berechtugt sind, um den Gerüstbaum zu erhalten.

In einem Aufsatz wird ein ganzer Strauß an Verdächtigungen einem umfangreichen und quellengespeistem Faktencheck unterzogen, den wir hier in kommentierter Kurzform wiedergeben möchten  (Die gesamte Untersuchung können Sie hier lesen: http://region-hannover.bund.net/uploads/media/Efeu_und_Baeume.pdf):


Efeuwurzeln bohren den Wirtsbaum an und saugen ihn aus !

Falsch !

Die sprossbürtigen Haftwurzeln sind nicht zur Wasseraufnahme fähig sondern dienen ausschließlich als Kletterhilfe. Lediglich bei Bodenkontakt können sie sich in Nährwurzeln umwandeln. Wäre der Efeu wie behauptet ein Vampir, so müsste er auch nach Kappung des Saftstroms von unten weiterleben - tut er aber nicht.


Efeu überwuchert die Baumkrone und schädigt den Baum durch Verdunkelung !

Kommt darauf an ...

An allen Waldbaumarten wurde beobachtet, dass der mittlere Abstand des Efeus zur Kronenspitze vier Meter und mehr betrug. Efeu haftet ganz überwiegend an Stamm und Starkästen des Baumes, nicht aber in den feinen Kronenverästelungen, an denen beim Baum die für die Photosynthese entscheidende Blattmasse wächst.


Alter Efeu an sehr alten Stiel-Eichen: Efeu dringt nicht bis in die Kronenspitzen mit der Blattmasse des Baumes vor

Bei kleineren bzw. jüngeren, kranken oder am Ende ihres Lebenszyklus stehenden Bäumen kann jedoch ein Überwachsen der entsprechend kleineren bzw. sehr lichten Krone beobachtet werden. Dies kann den Niedergang des Baumes verursachen bzw. ihn beschleunigen. Prof. Warda empfiehlt in seinem Standardwerk 'Das große Buch der Garten- und Landschaftsgehölze' (Bruns Pflanzenexport, 1998): Efeu "sollte nur in größere und ältere Bäume gesetzt werden."


Efeu schädigt die Baumrinde, weil Efeu den Kontakt zu Luft und Licht abschneidet !

Eher das Gegenteil ist der Fall:

Efeubewachsene Stämme können wie bei Eichen sogar vor Frostrissen schützen, weil sie den Baumstamm verschatten. Wird ein Efeu-Vorhang nachträglich von Stämmen sonnenempfindlicher Baumarten wie der Rot-Buche (Fagus sylvatica) entfernt, droht dem Baum der Rindenbrand.


Efeu erdrosselt den Stamm !

Falsch:

Die kletternden Triebe schlingen sich in der Regel und im Unterschied zum Geißblatt (Lonicera) kreis- oder spiralförmig um den Stamm des Baumes und strangulieren diesen, sondern streben aufrecht und bilden allenfalls auf Teilflächen eine Art Netz.


Hier wird nicht gewürgt: Efeutriebe klettern aufrecht und schlingen nicht spiral- oder kreisförmig

Efeu schwächt den Wirtsbaum durch sein Gewicht und erhöht die Gefahr, dass der Baum bei Stürmen oder unter Schneelast bricht bzw. umkippt !

Jein !

Selbstverständlich trägt ein Efeu-Baum ein erhebliches Zusatzgewicht. Allerdings ist wie das Baumwachstum selbst auch der Efeu-Gewichtszuwachs ein allmählicher Prozess. Der Baum kann diesem Umstand mit einem angepassten Wurzelwachstum begegnen, ganz so, wie es Bäume auf unterschiedlichen Standorten (Windexposition ...) zeigen, lautet unsere These.

Die zusätzliche Segelwirkung ist bei nassen Herbst- und Winterjahren von Bedeutung. So führten im sehr nassen Jahr 2017 frühe Stürme bei voller Belaubung und gleichzeitig aufgeweichtem Boden zu zahlreichen umgestürzten Bäumen. Außerdem steht zu vermuten, dass eine Segelwirkung bei kleineren Bäumen relativ stärker ins Gewicht fällt, so dass jüngere/ kleinere Bäume eher durch Windwurf gefährdet sein könnten.

Im städtischen Bereich wird aber die Vitalität mutmaßlich viel stärker durch mangelhafte Baumstandorte und das für den Baum stressige Stadtklima beeinflusst werden.


Efeu bedeutet schädigende Wurzelkonkurrenz um Wasser und Nährstoffe !

Falsch:

Der BUND zitiert Beobachtungen, die gezeigt hätten, das sogenannte 'Efeu-Eichen' (Eichen würden besonders gerne von Efeu aufgesucht) "in Wuchs und in gesunder Kraft die efeufreien Eichen merklich übertreffen" (Gustav Hegi in: Die illustrierte Flora in Mitteleuropa, 1926).

In einer Untersuchung in Auenwäldern am Oberrhein kommen die Verfasser zum Ergebnis, dass das sich leicht zersetzende und bereits im (Früh-)Sommer fallende Efeu-Falllaub einen positiven Effekt auf die Stoffumsätze im Laubstreu hat. Das Bodenleben werde gefördert, so dass Efeu zur Pflanzenernährung auch des Gerüstbaumes beitrage und eine eher unterstützende als konkurrierende Pflanze sei. (Trémolieres et. al, 1988 in: Um example d'interaction non compétetive entre espèces ligneuses: Le cas du lierre arborescent (Hedera helix) - Acta Oecologiga/ Oecologica Planta).


Efeu hat Baum getötet ? Nein, die Douglasie wurde gefällt, weil zu groß. Der Stamm wurde stehengelassen und dient nun dem Efeu als Klettergerüst


Fazit:

Efeu ist weder Baumkiller noch Schmarotzer, sondern ein Klettergehölz, das Bäume als Klettergerüst verwendet. Efeu wird womöglich nicht unbedingt die Vitalität des Baumgerüstes erhöhen und kann andererseits den Niedergang bereits kränkelnder Bäume beschleunigen. Efeu sollte nicht an junge oder wenig vitale Bäume gepflanzt werden.

Kletternder Efeu besitzt neben der Wohlfahrtswirkung für das Stadtklima, des winterlichen Zierwertes bis hin zur (garten-) denkmalpflegerischen Bedeutungauch einen hohen ökologischen Wert: Als Nistplatz für Singvögel und als späte und darum besonders wertvolle Bienenweide.


Veröffentlicht in Pflanzenverwendung am 08.11.2018 15:37 Uhr.

Logo Baumschule

Horst Bradfisch Baumschulen GmbH

Quickborner Straße 30

25494 Borstel-Hohenraden


Tel.

Fax +49 (0)4101/ 79 55-55

baumschulen(at)bradfisch.de

bradfisch.de



Inh.: Bettina Stoldt, Dipl.-Ing. agr. (FH)

Logo ZgG
Vignet MPS-ABC EN-804587, Zertifizierung 2023
Instagram Button