Baumbewässerungssäcke: Top oder Flop?

Die Wasserversorgung von Stadtbäumen treibt Kommunen vor allem nach einem Trockenjahr wie 2022 um. Immer häufiger werden dazu Baumbewässerungs-säcke aus Kunststoff eingesetzt. Können die Säcke die Erwartungen erfüllen - und was sind die Alternativen für die Baumnachsorge mit Wasser?






Jungbaumversorgung per Baumbewässerungssack: Immer mehr Kommunen versuchen, die Wasserversorgung der Stadtbäume auf diese Weise sicherzustellen und zu vereinfachen. Praktisch sind die Säcke auf Flächen , auf denen schlecht ein Gießrand ausgebildet werden kann wie bei dieser ungebundenen Platzfläche des Washingtonplatzes am Berliner Hauptbahnhof . Andererseits könnte man die grünen Säcke als neuentdeckten Teil des Mülltrenn- und 

Einsammeluniversums  in der Tradition des Gelben Sacks halten... 




Auf kommunaler Ebene werden aus eigener Beobachtung zunehmend sog. Baumbewässerungssäcke verwendet, über die ähnlich einer Tropfbewässerung kontinuierlich Wasser in Stammnähe abgegeben wird. Der Boden der Säcke ist dazu fein perforiert. Eine Vollfüllung Wasser tropft dabei je nach Modell in einem Zeitraum von etwa 2 bis 10 Stunden.


Der Sack wird dazu um den Stamm herum gelegt und meist per Reißverschluss geschlossen. Ein Gießrand wird bei 'sackversorgten' Jungbäumen i.d.R. nicht mehr ausgebildet. In den Produktbeschreibungen des MEYER-Katalogs werden Säcke mit einem Inhalt zwischen 60 und 100 l für Bäume mit Stammumfängen ab 8 bis 30 cm empfohlen.

 

Nun sind diese Säcke ein weiteres 'Accessoire' im Katalog der Standortvorbereitung, Baumpflanzung und Baumnachsorge, mit dem die Hersteller verdienen möchten. 


Unter Einbeziehung einer Presseschau nach dem Trockensommer 2022 sollen nachfolgend Vor- und Nachteile zusammengestellt und ein vorläufiges Fazit gezogen werden:



Pro Bewässerungssack!

  • flexible Handhabung, nachträgliche Ausrüstung/ jederzeitige Entfernung möglich, Wiederverwertbarkeit; Einlagerung während der Vegetationsruhe möglich

  • wartungsarm, geringere Fehleranfälligkeit im Vergleich zu unsachgemäßer Schlauchbewässerung

  • effiziente Wasserversorgung, keine Verdunstung oder seitliches 'Weglaufen' des Wassers wie bei Gießrandbefüllung; durch Kombination mehrerer Säcke sind auch größere Wassermengenabgaben möglich
  • längere Versorgung bei kurzem Füllgang, Zeitersparnis Sackbefüllung im Vergleich der gleichen Wassermenge per Handbewässerung in den Gießrand

  • Wasserversorgung auch auf Flächen wie ungebundenen Deckschichten (‚wassergebundene Wegedecke‘) möglich, da Gießrand entbehrlich

  • dosiergenaue Zumischbarkeit von Zusatz- und Hilfsstoffen wie Dünger oder Huminsäure möglich (Nährstoffversorgung, Salzbinder, Bodenaktivator), jedoch Gefahr, dass bestimmte Stoffe die Poren des Sackes verstopfen

 

Kontra Bewässerungssack!

  • Füllmengenbegrenzung: Die Kombination von zwei Säcken mit dann etwa 100 bis 120 l Wasserfüllung bedeuten umgerechnet auf Mindestwassermengen je Wässerungsgang einen Durchgang und damit die Erfordernis zum regelmäßigen Auffüllen der Säcke; einzelne 50- oder 60-Liter Säcke erfüllen im Grunde genommen nicht die Mindestwassermengen je Wässerungsgang

  • relativ umständliche Schlauchbefüllung der Standard-Säcke: Alternativen dazu sind 'Gießringe' oder Säcke mit extra großer Einfüllöffnung, die sich mit großer Technik schneller befüllen lassen

  • überwiegend oberflächliche Bodendurchfeuchtung : Aufgrund der eher geringen Wassermengen und Durchfeuchtung nur der obersten Bodenschicht vor allem bei Verwendung kleiner Einzelsäcke kann zu einer ungünstigen Entwicklung des Wurzelwerks bei Jungbäumen führen. Das Wurzelwachstum richtet sich  auf oberste (befeuchtete) Bodenschicht, wodurch die Trockenstressgefahr wächst. Diese Beobachtung wurde bei Jungbäumen in Hannover gemacht.  Die Bewässerungssäcke wurden daraufhin abgeschafft und zur manuellen Bewässerung über Gießringe und Gießränder zurückgekehrt. (Quelle: Meldung Hannoversche Allgemeine vom 22.07.2022: Stadt Laatzen lagert Bewässerungssäcke ein und gießt Bäume wieder per Hand)

  • Beobachtung von Hitzeschäden am Stamm im Bereich der Säcke (Sommer 2022): Mögliche Abhilfe könnte eine Befestigung der Säcke nicht am Stamm, sondern an Baumverankerungspfählen sein (Quelle: Meldung TASPO Garten Design, Ausgabe 5 September/ Oktober 2022, Beitrag von Martina Borowski: Bäume richtig wässern – aber wie?)

 




Falsche Anwendung von Baumbewässerungssäcken bei Altbäumen: In Stammnähe angebracht nutzlos bis schädlich


  • Nutzlos bis schädlich für alte Bäume bei Installation um den Stamm: In unmittelbarer Stammnähe findet mangels Feinwurzeln bei Altbäumen keine Wasseraufnahme statt. An Stämmen älterer Bäume im Bezirk Berlin-Mitte wurde unter stammnah installierten Säcken sogar Pilzbefall festgestellt (Quelle: Meldung in BZ vom 19.07.22: Enormer Wasserverbrauch ohne Nutzen – Wasser für Berliner Bäume – Bewässerungssäcke wenig sinnvoll).

Eine Empfehlung könnte lautet: Standard-Wassersäcke sollten nur für Jungbäume während der Anwachsperiode in den ersten drei Jahren verwendet werden. 

Für Altbäume bietet der Markt spezielle Produkte: Diese großvolumigen Säcke mit Füllmengen zwischen 400 und 1.500 l werden nicht am Stamm sondern im Traufbereich des Altbaumes ausgelegt, also dort, wo Feinwurzeln zur Wasseraufnahme wachsen. Das funktioniert theoretisch sogar auf befestigten Flächen, wenn die Fugen ausreichend wasserdurchlässig sind

  • Anfälligkeit für Vandalismus (v.a. in Innenstadtlagen) und Diebstahl

  • Leistungsverringerung bis Versagen im Laufe der Zeit durch Zusetzen der Poren/ Bewässerungsöffnungen, 
Dieses Risiko besteht insbesondere, wenn zur Befüllung kein Trinkwasser verwendet wird - es gibt jedoch auch Säcke, bei denen die Wasserabgabe über Nähte erfolgt, so dass auch Brauchwasser verwendet werden kann


  • Gefahr der Beschädigung bei unsachgemäßem Einsatz von Freischneidern

  • Beobachtungen von Verbiss durch Wühlmäuse bei Verwendung in Vororten/ in der freien Landschaft (Meldung vom 15.06.2021 in Die Rheinpfalz: Bewässerungssäcke für Bäume im Stadtgebiet auf dem Prüfstand)



Aus planerischer Sicht sind die Beobachtungen zur Fehlentwicklung des Wurzelwerks bei Jungbäumen, die Nutzlosigkeit einer stammnahen Bewässerung bei Bestandsbäumen und der Faktor Kunststoffmüll kritisch zu beurteilen. 





'Bewässerungssets' aus Drainrohrring: 

Vergrabener Plastikmüll



Die Müllproblematik erinnert an das massenhafte Vergraben der sogenannten ‚Bewässerungssets‘, bestehend aus einem Kunststoff-Drainagerohrring DN 100 plus vertikalem Einfüllstutzen. Neben häufigem Falscheinbau (zu hoch) führt die Verwendung von luftgefüllten perforierten Rohren im Erdreich zum Eindringen von Wurzeln in derartige Vorrichtungen.

Das Wurzelwerk hat bei regelmäßiger Ringbewässerung wenig Anlass, auch in tiefere Bodenschichten mit einem höheren natürlichen und nachhaltigen Angebot an pflanzenverfügbarem Wasser zu wurzeln. 


Die ‚Bewässerungssets‘ haben einen weiteren Nachteil - kurz nachgerechnet:  Ein Bewässerungsring DN 100 mit einem Meter Durchmesser fasst bei Vollfüllung etwa 25 Liter Wasser – und damit nur etwa ein Viertel der empfehlenswerten Wassergabe je Wässerungsgang. 


Weder ist die Versickerung des eingefüllten Wassers kontrollierbar noch der Zeitpunkt, an dem im Grunde genommen drei Mal bis zur Mindestwassermenge nachgefüllt werden müsste – nämlich dann, wenn das eingefüllte Wasser vollständig aus dem Ring versickert wäre.



Klassiker der Baumnachsorge: 

Gießrand plus Baumschnorchel

 

Eine praktikable und müllarme Bewässerungsmethode bleibt die Kombination von Gießrand plus vertikaler Baumbewässerungseinrichtung – besser bekannt als ‚Baumschnorchel‘ 


(Link zum Produkt: https://www.meyer-shop.com/baumschnorchel-20-l-blaehton-im-juteschlauch)

 

Diese gut 1 m langen und im Durchmesser rd. 15 bis 20 cm messenden Schnorchel bestehen aus mit ca. 20 Litern Blähton gefüllten Jutebeuteln. 


Mit der Baumgrubenverfüllung werden i.d.R. vier Schnorchel je Grube vertikal an die Grubenwände gestellt und verfüllt. Neben der Verbesserung des Boden-Gas-Austausches speichert der Blähton Feuchtigkeit und Wassergaben über den Gießrand gelangen bis tief in die Baumgrube.






Künstlicher Gießrand aus HDPE für die

 Erleichterung der Wässerung der Solitärgehölzpflanzungen auf dem Schnelsener Autobahndeckel an der Heidlohstraße 



Eine weitere, weniger häufig zu beobachtende Gießhilfe ist der künstliche 'Gießrand'. Dabei handelt es sich um auf Rolle gewickelte, 2 bis 3 mm dicke und 250 bis 300 mm breite Kunststoffstreifen aus HDPE oder LDPE (leider: kein Recycling-Material).


Streifen werden als mit einer speziellen Kupplung verbundener Ring etwa 10 cm tief um die Baumscheibe eingesenkt. Damit verbleiben etwa 15 bis 20 cm Ringüberstand, in den hinein gewässert werden kann: 


Bei einem Ringdurchmesser von 80 cm (= 2,50 lfm Ring) können bis zur Vollfüllung bis etwa 100 l Wasser in den Ring gegeben werden.




Kostenvergleich von Bewässerungseinrichtungen


Im Kostenvergleich (nur Materialkosten) liegen die Investitionskosten für Baumschnorchel mit etwa 12 bis 20 € je 20-Liter-Schnorchel (4 Stk pro Baum sind sinnvoll) über denen für Bewässerungssäcke (je nach Größe ca. 12 bis 20 € pro Stück) oder dem unsterblichen ‚Baumbewässerungsset‘ aus Drainagerohrring (ca. 25 bis 75 €). Der Kunststoff-Gießring von der Rolle kostet umgerechnet auf 2,50 lfm plus Kupplung gut 11 €.



Fazit


Die Zeitersparnis der Bewässerungssäcke dürfte Hauptfaktor bei der Verwendungsbegeisterung vieler Kommunen sein. Es gibt jedoch auch im städtischen Umfeld viele Standorte, an denen sich fachgerecht Gießränder plus Baumschnorchel herstellen lassen, über die die erforderliche Mindestwassermenge per Hand gewässert werden könnte ohne künftigen Kunststoffmüll gleich flächendeckend zu produzieren: 


Denn ein gewichtiger Nachteil der Säcke aus PE und vor allem aus PVC ist die verhältnismäßig kurze Lebensdauer. Säcke aus RC-Material werden unser Kenntnis nach bislang nicht angeboten.


Das Verhalten des Wurzelwachstums bei Jungbäumen bei Sackbewässerung sollte näher untersucht werden - vielleicht eignet sich dies als Thema für eine Bachelorarbeit?




Veröffentlicht in Baumpflege am 25.09.2022 18:34 Uhr.

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Inh.: Bettina Stoldt, Dipl.-Ing. agr. (FH)

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